David Meili, 19. April 2009, 09:21 Uhr

Hühner gackern sich nicht durchs Netz; Lieblingspromi Melanie und kritischer Rückblick auf David Hamilton

Pressespiegel zum Wochenende vom 18./19 April 2009
migros1Im Zentrum des Interesses von Werbern und den mit ihnen verbundenen Fotografen stand nach Ostermontag die neue Imagekampagne der Migros. Hochgelobt und unkritisch gewürdigt wurde sie von allen, die sich trotz Sparprogramm irgendwann doch noch irgendwelche Aufträge erhoffen. Die ernsthaften Werbekritiker hielten sich bedeckt, und andere hatten sich zuvor ausgelästert.

Nun sind die Schleusen geöffnet. Die Agentur Jung/vMatt Limmat schlug mit dem Breitschwert zu und lancierte eine sehr traditionelle Kampagne, die auch für die Werbewirtschaft einen umgehenden ROI bringt: Mehrseitige Zeitungsinserate, wie in DAS MAGAZIN mit Ausklapper, und einem gründlich missglückten Hühnerspot auf Newsnetz.

Der Spot selbst ist gut. Ein Huhn legt ein Ei in der Migros, auf seinem Weg werden andere Spots karikiert. Doch selbst bei erstklassiger Internet-Anbindung, wie mit Swisscom im Umfeld des Flughafens Zürich/Kloten (Festnetz) kam das Filmli nur am sehr frühen Morgen noch durch. Danach erschienen auf Newsnetz nur noch Wolken, nicht einmal echte, sondern aus der Symbol-Library von PhotoShop. Sound gab es (Firefox unter XP) auch nicht.

Fotografisch bietet die bis heute bekannte Serie an Inseraten nun wirklich nichts, – nicht einmal die Fotografen sind bekannt. Den Witz hinter den abgesägten Rüebli versteht jeder aufgeweckte Zweitklässler und findet ihn nicht lustig.

Doch die Werbung der Migros lebt. Im Tages-Anzeiger vom 17. April feiert m-electronics das vierzigjähriges Bestehen mit einer Canon EOS 450 zum Sensationpreis. Sensationell ist die Darstellung der Kamera im Inserat. Das bescheidene Standardzoom ist mit PhotoShop gestreckt und verdickt, und über dem Blitzschuh liegt ein geheimnisvolles Leuchten.

Vielleicht sitzen die wirklich guten Werber der Migros im eigenen Haus, nur hat der Chef dies nicht begriffen. Und sie werden auch dort bleiben, wenn sich das Karussell im Management weiter dreht, – und die Zwerge im Hintergrund weiterhin gute Werbung für die Basis machen. Ihnen gilt unsere Sympathie.

090418_melanieVom Blick werden wir immer wieder mit neuen Geschichten über Stress und Melanie unterhalten. Nun haben sie sich den „Porno“ angeschaut, der ihr Liebesleben neu erfindet. Hat die Schweiz wirklich keine andere, stilvollere Promis im Umfeld der themenverarmten Ringier-Presse und den Hausmodels von Coop?

Doch Melanie kann auch politisch sein. Für die WOZ dient sie als Aufhänger in der Berichterstattung für den biometrischen Pass. Bis zum 17. Mai kann man seinen Fingerabdruck einsenden und der/die Schönste wird prämiert.

Der Beitrag von Alfred Hackensberger in der WOZ über Marokko als Sexdestination (Seite 27) wird niemanden davon abhalten, seine eigenen Abenteuer im kulturell faszinierenden Land zu suchen. Beim Bild von Christophe Boisvieux einer Tee-Runde vor dem Café Europa in Tanger kommen nostalgische Gefühle auf. Doch den Schreibenden hat dieser legendäre Ort neben Taxistand wirklich nicht erotisiert. Das Bild passt in keiner Weise zur schlüpfrigen Reportage, doch über die AFP konnte man es billig einkaufen.

DAS MAGAZIN soll dieses Wochenende erwähnt werden, weil man nach langer Zeit wieder einmal eine Ausgabe mit Bildern vorfindet. „Counting in numbers“ könnte das Motto sein, – von der Geburt (Eliot Bill) bis zu 100 Jahren Lebensalter (Hans Erni) werden Zeitgenoss/innen angereiht. Viele Aufnahmen sind geglückt, das Layout ist gründlich missraten. Und viele Aufnahmen entstanden nach  Standardformeln, zum Teil mit banalen Legenden. Es beginnt bei Eliot, der Spinat isst. Zudem kommt man nur mit viel Glück auf die Namen der Fotograf/innen. Die meisten Aufnahmen sind keine Meisterwerke und folgen dem Mainstream. Die Website war, zumindest am 19.4. um 11.00 Uhr noch auf dem Stand der Vorwoche.

Doch es kommt noch schlimmer. Wie sonntag.ch im Kommentar auf der Wirtschaftsseite (Seite 23) berichtet, finden sich identische Fotos im Geschäftsbericht der Migros, – vom Studio Achermann.

Update vom 20.4.: Gegenüber persönlich.ch bestätigt die Redaktion die Zusammenarbeit. Offen bleibt, ob die Fototgraf/innen für ihre Bildrechte zusätzlich entschädigt werden, wohl kaum. Damit hätte DAS MAGAZIN erstmals „free content“, und der Aufschlag auf die Samstagausgabe des TA wäre ein Werbebeitrag an die Migros…

Das Magazin zum Sonntagsblick hat einen neuen Stern am Schweizer Fotohimmel entdeckt: Patricia Faessler. Der schmalzige Text stammt aus der Edelfeder von Helmut-Maria Glogger, die Bilder von Stefano Schröter. Was Frau Faessler wirklich fotografiert, sehen wir nur im Briefmarklenformat. Mal in Marrakesch, mal in New York, – und sie studiert Ethik! Und sie sammelt WC-Papier, das Stephan Schacher fotografiert und Joergen Birker vom ADC Schweiz „inszeniert“. Diese Geschichte muss man sich nicht ausdenken, man findet sie auf Seite 30-35.

In Spiegel Online findet sich ein lesenswerter Beitrag über David Hamilton, der mit seinen Mädchenbildern einst als Star der internationalen Fotoszene gefeiert wurde und dessen Restexemplare heute als Kinderpornographie durchaus beschlagnahmt werden könnten. Hamilton begeisterte sich und seine Käufer für die „Unschuld“ von jungen Mädchen, – und die Mütter standen mit ihren Töchtern Schlange vor den Studios.

Doch der Beitrag greift etwas kurz. Er vermag nicht, den Bogen weiter zu schlagen zu den Skandalen der Agentur Elite und dem Missbrauch auch von jungen Männern. Doch, immerhin, die Fotogeschichte bemüht sich um ihre Aufarbeitung.

Selbst bei fotointern.ch gibt es eine „letzte Seite“. Sie gilt heute Walter Pfeiffer, der gemäss Seite 43 im Blick am Sonntag Eva Herzigova (36) im Hotel Meurice für Vogue fotografiert hat. „Nach dem Shooting waren wir völlig kaputt.“ Nach der Lektüre des Beitrags von Reza Rafi, – „We, too“.

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