David Meili, 2. Mai 2009, 07:00 Uhr

Buch der Woche: Digital fotografieren mit GIMP

Beim aktuellen Angebot an Open Source Software (Übersicht auf fotointern.ch) steht GIMP zweifellos im Mittelpunkt des Interesses von Fotograf/innen. Die kostenlose Alternative zum Marktführer Photoshop ist in der Szene ebenso heiss geliebt wie umstritten. Am Beispiel eines Fachbuchs mit CD möchten wir Lust auf eigene Erfahrungen machen und Missverständnisse klären.

Es macht wenig Sinn, GIMP mit Photoshop Feature für Feature zu vergleichen. Wer mit Photoshop seit Jahren erfolgreich arbeitet und brav seine Lizenzgebühren bezahlt hat, wird GIMP allenfalls auf einem Zweitrechner einsetzen oder seine Informatikkenntnisse in Selbsterfahrung erweitern.

In der aktuellen Version 2.6.6. ist GIMP mit einm früheren Release, den wir vor etwas mehr als einem Jahr enttäuscht deinstalliert haben, nicht mehr zu vergleichen. Zu unserer negativen Erfahrung trug damals auch ein Buch bei, das für mehr Verwirrung als Klärung sorgte.

Aus dem grauen Entlein ist ein hochprofessionelles Werkzeug für die digitale Bildbearbeitung geworden. In der Zwischenzeit sind sehr gute Bücher zum Produkt erschienen, wie „Digital fotografieren GIMP. Fotos korrigieren, retuischieren und raffiniert präsentieren“ im Verlag Markt+Technik (erhältlich über unseren Fotobuch Shop). Addison Wesley bietet von der gleichen Autorin (Bettina K. Lechner) ein Training auf CD an.

GIMP ist nach dem Download in zwei, drei Minuten installiert (Arbeitsumgebung XP und Mac OS). Doch dann trat ein abstruses Problem auf.

Das Tutorial von Bettina K. Lechner bezieht sich auf die deutschsprachige Version, doch unser XP-Umgebung ist International English. Die Installationsroutine hat dies erkannt und GIMP in der Basissprache des Rechners aufgesetzt. Über das Konfigurationsmenu kann man alles nur Denkbare konfigurieren, ausser der Benutzersprache. Der Download und die Neuinstallation einer vermeintlich deutschsprachigen Version ab chip.de scheiterte, da das blitzgescheite Programm sich gleich verhielt. Recherchen auf dem Internet ergaben, dass sich GIMP die Sprache Goethes für ein anderssprachigesn Betriebssystem aufzwingen lässt, doch nur durch Eingriffe mit dem Toolkit. Dieses erwies sich auch später als nützlich und kann ebenso unproblematisch installiert werden.

Der anfängliche Ärger öffnete völlig neue Horizonte. Dank Open Source ist GIMP wie kein anderes Programm zur Bildbearbeitung individuell konfigurier- und erweiterbar. Mit dem Toolkit und unzähligen, frei verfügbaren Zusatzscripts und Programmroutinen kann man sich seine Wunschsoftware modular zusammenstellen und beliebig erweitern. Es macht Spass, selbst eigene Zusätze zu schreibe. Viel Programmierkenntnisse braucht man dazu nicht.

Was Sie im Buch erwartet

Vorerst werden Arbeitsoberfläche, Werkzeuge und Basisfunktionen vorgestellt. Hervorragend sind einige grundsätzliche Informationen zur digitalen Bildverarbeitung. Auch wenn man seit Jahren digital arbeitet, zahlt es sich aus, seine Kenntnisse kurz aufzufrischen. GIMP verwendet für die einzelnen Funktionen eine etwas andere Terminologie als Photoshop. Am Schluss des Buches findet man mit einer Begriffserklärung eine Vergleichstabelle. Findige GIMP-Entwickler haben per GTK nicht nur die Terminologie an Photoshop angepasst, sondern sogar die Benutzeroberfläche imitiert. Natürlich sind auch diese Erweiterungen auf dem Internet frei verfügbar.

Viele Übungen sind so kurz gehalten, dass sie auf einer Doppelseite übersichtlich Platz finden. Falls man keine eigenen Bilder verwenden will, liegt eine CD mit geeigneten Vorlagen bei. Die schrittweise Einführung macht Spass, weil sie ganz gezielt auf die alltäglichen Anforderungen in der Bearbeitung von digitalen Fotografien ausgerichtet ist und auf praktischer Erfahrung basiert. In einem eigenen Tipp-Bereich lesen Sie Hinweise zu Techniken der digitalen Fotografie oder vertiefende Informationen.

Das Buch gliedert sich in sechs grosse Bereiche:

1. GIMP Grundlagen
Als GIMP-Einsteiger/in hilft Ihnen dieser Teil des Buchs die Grundlagen zu digitalen Bildern und deren Auflösung besser zu verstehen. Wir besprechen die Dateitypen, wie Sie Bilddateien aus der Kamera, vom Scanner oder vom Web in GIMP bekommen oder RAW-Dateien in GIMP öffnen bzw. EXIF-Daten auslesen können. Außerdem liefert das Kapitel Informationen zu Dateimanagement, Ebenentechnik, zum Textwerkzeug, zur Installation von Plug-Ins und Werkzeugspitzen.

2. Fotokorrekturen
Dieses Kapitel behandelt grundsätzliche Techniken zur Verbesserung Ihrer Aufnahmen. Sie erlernen den Umgang mit Kurven, Tonwerten, den korrekten Ausschnitt zu finden, wie ein Profi Bilder nachzuschärfen und sogar Unterwasseraufnahmen nachzubearbeiten oder einfach rote Augen zu retuschieren und ähnliches mehr.

3. Fotoretuschen, -montagen
Sie erlernen spannende Techniken zum Extrahieren von Personen aus dem Hintergrund, um diese z. B. auf neutralem Weiß zu platzieren, kosmetische Retuschen, das Verbessern von Schlechtwetteraufnahmen, Anleitungen für Bildkompositionen, das Entfernen von unerwünschten Elementen. Und wir zaubern sogar ein digitales Lächeln auf ernste Lippen.

4. Spezialeffekte & Texte
Dieses Kapitel liefert kreative Techniken, die Ihre Bilder in ein außergewöhnliches Rampenlicht stellen: HDR, Toyeffekt, Soft Fokus, Comiczeichnung, Andy-Warhol-Effekt uvm. Darüber hinaus verfügt GIMPüber einen starken Texteditor und zahlreiche Filter, mit deren Hilfe wir Schriftzügen einen Schlagschatten verpassen, Text wellig schreiben oder dem Text einen 3-D-Effekt hinzufügen.

5. Die Präsentation Ihrer Bilder
Jetzt zeigen wir unsere Werke her! Hier gibt es für Sie jede Menge praktische Tipps und Hinweise, wie Sie Ihre Bilder aufbereiten müssen, um sie zu drucken, per E-Mail zu versenden, im Web zu veröffentlichen oder jetzt ganz hipp: per digitalen Bilderrahmen die Dateien ganz einfach zu Hause an der Wand abspielen lassen oder als Diashow am Fernseher zeigen.

6. Anhang
Meist werden Anhänge etwas lieblos behandelt. Aber diesen sollten Sie nicht achtlos überblättern, denn hier finden Sie Schritt für Schritt Installationsanleitungen für Windows, Linux und Mac, weiterführende Hilfe, die Link-Liste, und das bereits erwähnte Glossar.

Fazit: Wir haben während einem Monat konsequent mit GIMP und diesem Buch gearbeitet und sind nie an Grenzen gestossen. Mit dem Tutorial von Bettina K. Lechner wird man rasch mit dem professionellen Werkzeug vertraut. GIMP führte auch bei sehr grossen Dateien, mehreren offenen Fenstern und einer in die Jahre gekommenen XP-Installation nie zu einem Absturz. Zudem erwiesen sich das Programm bei einzelnen komplexen Prozessen als ausgesprochen schnell. Mit dem GTK kann man seine eigenen „Kochrezepte“ festhalten und unter Kollegen austauschen.

Eine Stärke von GIMP besteht in der Unabhängigkeit von Lizenzschlüsseln und Installationsbeschränkungen. GIMP lässt sich problemlos auf einem USB-Stick oder einer portablen Festplatte mit der persönlichen Bibliothek installieren und kann als Teil der Fotoausrüstung mitgenommen werden. Das Programm lässt sich direkt ab Stick ausführen, ohne in einen Fremdrechner einzugreifen.

Erbsezähler werden einzelne exquisite Funktionen vermissen, über die nur Photoshop verfügt. So unterstützt GIMP HDR (High Dynamic Range) nur mit 8 Bit pro Kanal. Ebenso fehlen die Layout-Funktionen, doch für diese bietet Open Source Scribus an (fotointern.ch) wird darauf eingehen. Doch sehr spezielle Features von Photoshop vermisst man in GIMP nicht, wenigstens nicht im Alltag.

Das Buch hat 176 Seiten, einen Softcover und eine CD mit der Vollversion GIMP 2.6.6 und Original-Bildmaterial zum Ausprobieren und Mitmachen. Es kostet nur CHF 51.50 und kann hier online bestellt werden.

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