David Meili, 8. August 2010, 10:09 Uhr

Verpixeltes Opfer, kein Warten auf den Leoparden, und Bären zum Discountpreis

Pressespiegel zum Wochenende vom 7./8. August 2010
Alice Schwarzer
stellt in einem lesenswerten Beitrag im Tages-Anzeiger (7. August, Seite 11, noch nicht online) in der Affäre um Jörg Kachelmann die Visualisierung von Täter und Opfer gegenüber. Kachelmann inszeniert sich in weissem Shirt als Strahlemann, sein mutmassliches Opfer sieht man nur verpixelt, „wie eine Verbrecherin“.

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Doch in ihrem Kampf für die Gleichberechtigung für die  Frau ist Alice Schwarzer keineswegs resigniert. Sie findet den Mut, das „Liebesleben“ von Kachelmann in wenigen Sätzen zusammenzufassen, wie auch  das Leiden seiner „Lausemädchen“.

Noch bizarrer als sein Privatleben: sonntag.ch lässt zwischen den Zeilen durchblick, dass das Anwaltshonorar möglicherweise doch über seine Firma Meteomedia abgebucht wird. So wird man selbst in Medienkommentaren vorsichtig: Kachelmann deckte nach Focus bereits die Verlage Ringier und TA-Media mit Klagen ein, und somit publiziert man nur noch Screen-Shots von n-tv, denn selbst Pressefotografen machen einen Bogen um das Haifischbecken.

Facebook wird mit den Tiefs bei guten Print-Reportagen immer mehr zum Parallelmedium. Das Tief liegt nicht bei den Fotografen, sondern bei den auf Werbung basierenden Budgets der Redaktionen. Somit sind originäre Reportagen in diesem Sommer kaum aufzuspüren, zumal DAS MAGAZIN zweimal mit angeblichen Doppelnummern pausiert.

Soll man einige hundert „Freunde“ erreichen oder einige hunderttausend, zumeist statistisch interpolierte WEMF-Leser/innen?  Thomas Buchwalder wagt den Schritt zur Publikation und Kritik von Bildern auf Facebook. Wie zeigt man das „Abheben“ mit Flügeltüren, wie stellt man den Ur-ahn des neuen Modells von Mercedes in den Vorder- oder Hintergrund? Es entstehen interessante Diskussionen.  Ein Geschäftsmodell auf Facebook gibt es weder für Fotograf/innen noch für Textjournalisten. Doch wer sich dieser Erfahrung entzieht, steht früher offside, als er es sich dies in seinen kühnsten Träumen ausmalt.

Die Reportage im magazin zum SonntagsBlick über Textilarbeiter/innen in China ist zugekauft (Justin Jin/Lightmeditation), was ihre Qualität nicht schmälert. Jin hat mehrfach mit Hébdo zusammengerabeitet. Die Bilder sind ebenso eindrücklich wie der Text. Man schämt sich nach der Lektüre nicht mehr, an Stelle von zerschlissenen Jeans in einem Strellson-Anzug an einer Vernissage aufzutauchen, der zumindest „fair“ produziert wurde.

Stefano Schröter fotografiert die Home-Story über den Zauberer Peter Marvey (Text Claudia Langenegger). Marvey (Künstlername, heisst bürgerlich Wollenmann und ging in Rüti/ZH zur Schule) ist wie alle erfolgreichen Zauberer Perfektionist. Seine Wohnung in Feusisberg wirkt wie eine Bühne. Er nutzt sie auch als Atelier für sein Team und als Proberaum. (Bildnachweis: Medienbild Peter Marvey)

Doch dann kommt im magazin zum SonntagsBlick das dicke Ende. Meyer/Walder erklären das Digitalzeitalter. Meyer outet sich als Blackberry-User (Standardausrüstung im Konzern, kostnix). Man muss den Beitrag nicht lesen. Doch langsam kommt ein Unbehagen auf. Wer ist der  unbekannte Dritte, der Woche für Woche diese Satire schreibt?

In der Rubrik People dominiert in allen Sonntags-Zeitungen das Filmfestival Locarno. Alexandra Pauli hat für den SonntagsBlick unsere Reichen, die kleinen und grossen Berühmtheiten vor die Kamera gebracht. Für sonntag.ch fotografierte die lokale TI-Press und zeigt im Beitrag von Florence Vuichard durchwesg fröhliche Menschen. Der Unterschied im fotografischen Stil überrascht nicht, im Süden sind sie einfach besser. (Bildnachweis: Festival del Film, Locarno)

Während der Plebs auf der Piazza fröstelt, ist die Prominenz bereits wieder abgerauscht. Das zur „Tradition“ erhobene Risotto-Essen auf dem Monte Verità wurde als Notlösung für die erbärmlich schlechte Hotel-Infrastruktur in Locarno ausgedacht. Die wenigen, internationalen Standards entsprechenden Hotels in der Region sind ausgebucht. Somit bleibt der Rückweg durch den Stau nach Norden. Für den Goldenen Leoparden interessiert sich die Presse kaum mehr.

Frank Patalong schreibt auf Spiegel Online über Photobombing (oder besser Videobombing). Es sind Leute (oder Tiere), die ins Bild hineinlaufen und die Aufnahme lächerlich oder gar unbrauchbar machen. In England hat dies ein beleibter Herr mit abgetragenem Pullover zu seiner Leidenschaft gemacht. Umwerfend komisch, wenn er in News-Kommentaren im Hintergrund auftaucht. Seine Motivation leuchtet ein: Das Fernsehen soll nicht nur schöne Menschen zeigen.

Man glaubt es kaum. In unmittelbarer Nähe des arg gebeutelten Zürcher Radiostudios paaren sich in lauen Sommernächten Glühwürmchen (Zentraleuropäische Leuchtkäfer/innen, Lampyris noctiluca). Tages-Anzeiger wurde vom Verein Glühwürmchen darauf aufmerksam gemacht. Wie man sie fotografiert, wissen wir noch nicht, doch da scheint einiges Knowhow vorhanden zu sein.

Tierisches bringt Weltbild. Nach dem Erfolg mit Eisbär Knut liegt nun der „offizielle Geschenkband“ zu Urs&Berna auf der Theke. Begleitet wird das Werk von einem Bärenkalender, für 2011. Die Fotos sind süss, doch etwas lieblos aus unterschiedlichen Quellen ins Layout gebracht.

Amüsant sind die Texte. Stadtpräsident Alexander Tschäppet entblödet sich nicht, wenn er den „Bärenpark“ als Kraftort preist. Parkdirektor Bernd Schildger posiert mit der Bärenwärter-Mütze und erklärt den Bären. Ob Lausbub Berna weiss, dass er auf Grund einer Fehldiganose der Koriphäe in Sachen Bären als Mädchen getauft wurde?

Das insgesamt peinliche Souvenir scheint kein Verkaufsschlager zu sein, wie die freundliche Filialleiterin von Weltbild bekannte. Tierbücher laufen nicht mehr so gut wie früher. Zur Zeit gibt es bereits 30 Prozent Rabatt. So können sich die beteiligten Fotografen ein Belegexemplar erwerben, das vielleicht der Höhe ihres Honorars entspricht (CHF 19.90).

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2 Kommentare zu “Verpixeltes Opfer, kein Warten auf den Leoparden, und Bären zum Discountpreis”

  1. Was auch immer beim Weltbild herauskommt, zum Thema TIERISCH ist im Moment ein absolut tolles Heft von Brand Eins am Kiosk, mit einem Text über unsere menschliche Rolle im ganzen Weltbild, da wackeln einem die Ohren davon, lesen…..

  2. In Sachen Bärenpark Bern gibt auch schöne Produkte welche mit viel Liebe und Geduld produziert wurden.
    Unser Bärenkalender 2011 gelangte als erstes Produkt dieser Art auf den berner Markt und überzeugt restlos durch seinen überaus grossen „Jöö-Effekt“ und des einzigartigen Erscheinungsbildes.
    Dieser ist ab sofort auf dem Markt erhältlich. Weitere Infos über unseren Bärenkalender für das Jahr 2011 finden Sie unter http://www.baeren-kalender.ch
    Wir freuen uns über jedes Feedback und über jede eingegangene Bestellung.
    Es grüsst das Bärenstarke Team!

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