David Meili, 12. November 2010, 08:55 Uhr

BuchBasel: Aus der Lagerhalle ins Viersterne Hotel

Bei der  Eröffnung der einzigen Buchmesse der Deutschschweiz musste man sich am Donnerstagabend die Augen reiben. Die vergangenen zwei Jahre kämpfte man sich zu einer weit hinter dem Messegelände gelegenen Lagerhalle. Es war dunkel, kalt und nass.  Geboten wurde alternativer Groove an Stelle von Glamour.

Nun sieht man sich in eine andere Welt versetzt. Bei der Tramhaltestelle Messeplatz nimmt man im Gebäudekomplex des Swissotels die Rolltreppe, wird von gutgekleideten Mitarbeiterinnen freundlich empfangen und steht mit einem perfekten Plan zwischen Normständen. Die Website und ein sehr informatives Messemagazin erläutern die verwirrende Geschichte des Kulturevents, das zumindest bis 2012 seine Form gefunden hat.

Zurück ist mit dem Standort in der eigentlichen Messe der Name BuchBasel. Und zurück an der Eröffnung waren Basler/innen, die in der Kulturszene und in der Politik Rang und Name haben. In seiner Ansprache betonte Regierungspräsident Guy Morin die Bedeutung des Verlagswesens und des Buches in der geschichtlichen Tradition von Basel und der Stadt als Standort für traditionsreiche Buchverlage und Buchhandlungen.

Höhepunkt war unbestritten das Referat der Literaturwissenschaftlerin Ruth Klüger. Klüger, 1931 in Wien geboren, bekannte sich zur grossen Überraschung der Anwesenden zu Kindle und zu Amazon. In ihrem Alter und während Spital- und Kuraufenthalten lernte sie das eBook schätzen, und sie trägt eine Bibliothek mit etwa 180 Büchern mit sich. Historisch fundiert äusserte sich Klüger zur Geschichte des Buchs und seiner Entwicklung. Nicht die Bibel brachte den Durchbruch des Mediums, sondern die Vulgärliteratur, – und um sie zu konsumieren musste das Publikum zuerst Lesen lernen. 

eBooks kann man nicht verschenken, nicht ausleihen und nur beschränkt sammeln. Doch das physische Buch steht nicht im Zentrum der kulturellen Entwicklung, es ist die Fähigkeit zu schreiben, zu lesen und zu verstehen. Ein warmer und anhaltender Appplaus war Ruth Klüger gewiss. Noch nie hatte nach dem Wissen des Schreibenden jemand im deutschsprachigen Raum die Entwicklung vom gedruckten Buch zum eMedium derart kompetent durchdacht und vermittelt.

BuchBasel ist mehr als eine regionale Buchmesse wenige Wochen nach der internationalen Leitmesse von Frankfurt. Gemeinsam mit Katrin Eckert, Intendantin des Literaturhauses Basel, erstellte Felix Werner als Messe- und Festivalleiter ein für drei Tagen etwa 150 Veranstaltungen umfassendes Programm, das von Autorenlesungen über Literaturpreise bis hin zu Diskussionen über die Nutzung von Facebook für die Nutzung von Leserbindung reicht.

Felix Werner und seinem Team gelang es, etwa die gleiche Zahl an Verlagen  miteinzubeziehen, wobei Gemeinschaftsstände die Übersicht erleichtern. Er reiste selbst nach Hamburg, um DIE ZEIT zur Teilnahme zu bewegen. Sein Engagement zahlte sich aus. Die renommierte Wochenzeitung ist mit einem Stand präsent und diese Woche mit einem doppelseitigen Beitrag über Erfolge der Schweizer Literatur auf dem deutschsprachigen Markt.

Vor der Messe ist nach der Messe, und Werner machte sich bereits am Eröffnungsanlass Gedanken über 2011. Er möchte noch mehr bedeutende Verlage gewinnen, und einige wichtige Verlage und Medienhäuser aus der Schweiz und aus Süddeutschland, die noch abseits stehen, werden auf den Zug zweifellos aufspringen. Die Aufteilung in Literatur und Sachbücher könnte eine Option sein. Dadurch würden auch Bildbände im Programm an Gewicht gewinnen

Fotografie und Multimedia sind in der Messe wie im Eventprogramm im Vergleich zum Salon du Livre in Genf noch sozusagen bedeutungslos. Bemerkenswert ist ein von Anita Kupper, der Präsidentin der Jungen Medien Schweiz initiiertes „Labor“, in dem junge Medienschaffende ein multimediales Produkt erstellen. Der Basler „Kontrastsender“ RADIO X hat sein Sofastudio in der Mitte der Messe aufgebaut und sendet drei Tage live.

Soll man als Fotograf/in an die BuchBasel gehen? Wenn man ein Buch plant, zweifellos, und wenn man sich über aktuelle Neuerscheinungen in Schweizer Verlagen informieren will, findet man mehr als in Buchhandlungen. Zudem trifft man interessante Menschen, die selbst Bücher machen oder später vielleicht Bücher kaufen werden. Das Konzept der neuen BuchBasel überzeugt durch Kommunikation. Büchsenbier ist out, Prosecco ist angesagt, und man kann sich in Lounge oder Bar des Swissotel zurückziehen.

Dann trafen wir auf Emanuel Ammon, der mit seinem Sohn selbst Fotobücher produziert, sie in seinem Verlag AURA  als Familienunternehmen verlegt und an Messen persönlich präsent ist und die Bücher gegen Cash verkauft. Der direkte Kontakt mit seinen Leser/innen ist für ihn eine wertvolle Erfahrung. Sein Konzept liegt in der aktuellen Fotoszene quer, denn es ist vertikal und nicht horizontal aufgebaut.

Ammon ist ein interessanter Gesprächspartner, wie seine Nachbarin Ursula Pecinska nebenan, die sich auf Bücher spezialisiert hat, die nur in einem einzigen Exemplar zu einem vierstelligen Betrag vertrieben werden. Auch diese Strategie könnte für Fotograf/innen von Interesse sein und wurde am Rande der Eröffnung der Kunst 10 in Zürich vom Vertreter einer trendsetzenden deutschen Fotogalerie nicht ausgeschlossen.

BuchBasel Internationales Buch- und Literaturfestival
12.-14. November 2010, Messe Basel, Halle 4.1. (beim Swissotel)
YouTube Channel mit täglichen Updates
Tipp: Tickets können kombiniert mit einem Billett an den Schaltern der SBB gelöst werden.

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6 Kommentare zu “BuchBasel: Aus der Lagerhalle ins Viersterne Hotel”

  1. Danke Urs.
    1. was ist bei ammons konzept vertikal? oder gibts einen link zur beschreibung?

    2. Nur nur Bücher sondern wohl alle via verlage produzierten Produkte dürften Fotografen interessieren.

    3. Ist der NZZ-verlag auch da, wohl sicher.

  2. @Michael
    Als „vertikal“ bezeichne ich bei Emanuel Ammon, dass er vom Konzept und Bild bis zum Endverkauf alles selbst durchzieht. Die meisten Fotografen beteiligen sich nur an einzelnen Prozessen (horizontal).
    Punkt 2 unterstütze ich, denn vor allem im Bereich Sachbücher und Covers bieten sich interessante Möglichkeiten zur Kontaktnahme an.
    Den Überblick über die Verlage findet man auf der Website http://www.buchbasel.ch. Am Anlass gestern Donnerstag waren noch nicht alle Stände aufgebaut.

  3. Hat zwar nicht direkt mit BuchBasel zu tun, aber vor Tagen sendete ARTE(ich glaube es war nicht 3Sat) einen hochinteressanten Bericht über den Drucker/Verleger Steidl-ein „Verrückter“ wie man selten findet. Bitte jemand die Wiederholungstermine herauszufinden. Der lange Film-ein absolutes MUSS!

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