David Meili, 8. Mai 2011, 16:41 Uhr

Zum Tod von Gunter Sachs

Undenkbar, dass jemand, dem man gerne wieder einmal begegnet wäre, sich ganz einfach aus dem Leben verabschiedet. Ich wusste, dass Gunter Sachs erkrankt war, doch dass er, wie sein Vater, mit der Waffe in der Hand aus dem Leben scheiden würde, lässt mich sprachlos. Er führte damit eine tragische Familiengeschichte weiter, und wir trauern mit seiner Familie.

Wie der Kontakt zu Gunter Sachs und dem damaligen Verlag PHOTOGRAPHIE 1979 in Schaffhausen entstand, müsste ich rekonstruieren. Eines Tages trafen wir uns zum Fischessen am Rhein. Sachs suchte die besten Drucker, Gestalter und einen innovativen Verleger. Ernst „Lonny“ Meier holte mich als Textautor und jungen Kunsthistoriker mit ins Boot. Die Tage in Bad Wiessee und in Gstaad sind unvergesslich, und wie wir uns zusammenrauften. Mirja brutzelte Schnitzel, und wir assen am Küchentisch. Mit dem Gestalter Peter Wassermann legten wir die Bilder auf dem Boden aus. Eduard Wolfbauer, dem Gunter Sachs dann das Buch auch widmete, beschaffte für die durstige Crew Bier.

1981 erschien das Buch LICHT’BILDER von Gunter Sachs im damaligen Verlag PHOTOGRAPHIE

Gunter Sachs war ein leidenschaftlicher Fotograf. Er hätte die Möglichkeit gehabt, als Filmer Karriere zu machen. Sein Film „Happening in White“ (1970) ist nach wie vor sehenswert. Doch nach zwei, drei Projekten hatte er genug vom logistischen Aufwand und konzentrierte sich auf das kleine Set. Als Mathematiker kam seine analytische Sehweise zum Tragen, und sein stets aktives Interesse für Gegenwartskunst vermittelte neue Impulse. Einige seiner Akte versteht man erst im Rückblick auf dreissig Jahre.

Kaum ein Leben ist so reich an Anekdoten. So entdeckte er zufällig in Cannes Andy Warhol, ein „irrer Typ“ der mit einem mitgebrachten Schmalfilmprojektor Filme vorführte. Sachs fragte Warhol, ob er seine Frau für ein bescheidenes Honorar in seine Serie aufnehmen würde und er dann die Verwertungsrechte übernehmen könne. Dass Sachs damals noch mit Brigitte Bardot verheiratet war, ahnte Warhol nicht. Und so ging eine seiner berühmtesten Serien in den Familienbesitz von Sachs über.

Langeweile kam mit Gunter Sachs nie auf. Den mehrfachen Familienvater lernte man nicht als Playboy kennen. Im persönlichen Umgang wirkte er bescheiden, oft nachdenklich, und war ein guter Zuhörer. Er teilte seine Leidenschaft für Astrologie mit seiner Schwiegertochter. Mit Gstaad blieb seine Familie stets verbunden, wie mit Pully, von wo sein Sekretariat stets zuverlässig Neujahrskarten versandte. Sie werden uns fehlen, wie ein letztes Gespräch am Küchentisch, über Fotografie, Gott und die Welt.

David Meili

David Meili verfasste 1980 den Text zu LICHT’BILDER, einem Lieblingswerke des Fotografen Gunter Sachs.
ISBN 3-3731-1600-0. Das Autorenexemplar trägt die Widmung „Meinem Bruder Grimm“.

Lesen Sie «Gunter Sachs als LICHT’BILDNER»

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