Peter Schäublin, 15. Dezember 2019, 09:53 Uhr

Video-Erfahrungen mit der Panasonic S1H

Anfangs 2019 hatte mein Freund Urs Tillmanns prognostiziert, dass in diesem Jahr viele interessante Kameras auf den Markt kommen würden. Und er hatte Recht. Praktisch alle Hersteller haben in den letzten zwölf Monaten neue, äusserst interessante Kameras vorgestellt. Besonders gespannt durfte man sein, was die an der Photokina 2018 vorgestellte L-Mount-Alliance an Neuem bringen würde. Und jetzt, ein gutes Jahr später, kann man mit Fug und Recht sagen: Das L-Mount-System rockt!

Leica und Panasonic arbeiten ja schon seit vielen Jahren eng zusammen, und so war es ein kluger Schachzug, dass die beiden ein gemeinsames Bajonett und gemeinsame Schnittstellen definiert haben. Toll, dass Sigma aus dem Duo ein Trio gemacht hat, und wer weiss – vielleicht treten ja in Zukunft noch weitere Firmen der L-Mount-Alliance bei. Bereits im Oktober 2018 hat Panasonic die S1 und die S1R angekündigt. Die ersten beiden Vollformat-DSLM der Marke zielten gleich auf das obere Käufersegment. Hervorragende Verarbeitung, diverse elektronische Features, ein elektronischer Sucher der Extraklasse, Bildstabilisator – dies nur einige Stichworte, die verdeutlichen, dass es Panasonic richtig ernst war und ist.

Ich hatte das Vorrecht, im Frühling 2019 mit der S1R in Nepal unterwegs zu sein und war richtig happy, dass ich mit knapp 50 Megapixeln das Potenzial der Panasonic- und auch meiner Leica-SL-Objektiven richtig ausschöpfen konnte. Gefilmt hatte ich damals noch mit der Panasonic GH5s, weil ich einfach noch nicht so ganz glücklich mit den Filmfeatures der S-Serie war. Das hat sich schlagartig geändert, als Panasonic die S1H angekündigt hat: Vollformat-Sensor, 6K, C4K intern mit 10bit Farbtiefe – das sind Daten, die aufhorchen lassen. Kurz darauf kündigen Atomos und Panasonic an, dass sie über den Atomos Ninja V ProRes Raw-Aufzeichnungen möglich machen werden – in 6K! Mir war klar: Da kommt ein kleines Kraftwerk auf den Markt, und ich muss es testen.

So sieht die Panasonic S1H quasi im «Rohzustand» aus …

… aber es geht meist nicht lange, und dann kommt noch Zubehör an die Kamera, wie beispielsweise ein externer Monitor, mit dem man auch aufzeichnen kann, Mikrofone, manuelle Schärferegler usw. (Pressebilder Panasonic)

 

15 Minuten, und ich war überzeugt

Tag X, der Postbote liefert zwei grosse Pakete von Panasonic Schweiz ab: Die S1H, das 4.0/24-105mm und das 4.0/70–200mm. Meine Neugier ist gross: Ich packe die Kamera aus, montiere das 24–105er, schliesse meinen Atomos Assasin an und mache ein paar Aufnahmen in Apple ProRes von meiner Arbeitskollegin Gabi, die gerade am Wacom-Tablet arbeitet:

Das Resultat haut mich aus den Socken. Schärfe, Details und Kontrastumfang vom Feinsten. Die Makroszene mit der Hand filme ich mit dem 24–105mm auf AFC, und der Autofokus zieht sauber nach. Nach einer Viertelstunde ist es um mich geschehen, und ich weiss, dass ich meine eigene S1H bestellen werde …

 

Aufnahmeformate ohne Ende

Wenn man zum ersten Mal im Filmmenu das Aufnahmeformat auswählt, wird es einem leicht schwindlig: 26 verschiedene Aufnahmeformate stehen zur Auswahl, und in einigen davon kann man dann noch unterschiedliche Bildraten für Slowmotion wählen. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, alle diese Filmformate vorzustellen. Klar ist aber, dass der Aufzeichnungsmodus je nach Projekt präzise individuell definiert werden kann. Und genau das habe ich in der Praxis ausprobiert:

 

Die Eiskunstläuferinnen

Für ein Filmprojekt filmen meine Frau Ursula und ich drei junge Eiskunstläuferinnen. Da meine eigene S1H unterdessen eingetroffen ist, arbeiten wir parallel mit zwei Bodies – auf einem das 24–105er, auf dem anderen das 70–200er. Wir filmen in C4K mit 10 Bit Farbtiefe und 50 Bildern pro Sekunde. Dabei wird nicht mehr der ganze Sensor ausgelesen, sondern nur das sogenannte Super 35mm-Format, das einen Cropfaktor von 1.45, also etwas grösser als APS-C, aufweist. Wir filmen ab Stativ mit AFC und stellen fest, dass das 24–105er die Schärfe sehr zuverlässig nachzieht, während das 70–200er schneller an die Grenze kommt. Das liegt natürlich auch am unterschiedlichen Bildausschnitt, aber subjektiv empfunden ist das 24–105er zuverlässiger beim Fokussieren.

Oft drücke ich den Record-Button, auch wenn die Läuferinnen noch nicht scharf fokussiert sind, und in der Postproduction nütze ich dieses Schärfen-/Unschärfenspiel für einige kreative Schnitte. Da wir mit 50p filmen, kann ich einige der Sequenzen ohne Qualitätsverlust in Slow Motion ausgeben. Bis auf die Drohnenaufnahmen ist im nachfolgenden Clip alles mit den beiden S1H gefilmt:

 

Die S1H und die beiden Panasonic-Objektive sind in der Zwischenzeit wieder zurück bei Panasonic Schweiz. Aber ich habe ja jetzt mein eigenes kleines Kraftwerk. Von der Bedienung her sind übrigens alle S1-Modelle praktisch identisch, das ist sehr hilfreich. Auch die GH5-Serie ist von der Bedienung sehr ähnlich.

Weil der Sensor der S1H sich je nach gewähltem Aufnahmeformat stark erwärmen kann, hat Panasonic den hinteren Screen etwas nach aussen versetzen müssen, um im Gehäuse noch Lüftungsschlitze einbauen zu können. Das macht die Kamera etwas sperriger, aber für 6K nehme ich das gerne in Kauf. Der eingebaute Ventilator ist standardmässig so programmiert, dass er anfängt zu kühlen, wenn der Sensor heissläuft. Das gibt natürlich ein Geräusch, das sich bei Tonaufnahmen mit dem eingebauten Mikrofon negativ auswirkt. Also besser mit externen Mikrofonen arbeiten.

Der Clou ist, dass das für die GH5-Serie entwickelte XLR-Mikrofoninterface XLR1 auch für die S1-Serie verwendet werden kann. Gerade bei Interviews ziehe ich den Ton sehr gerne über den XLR1 mit zwei drahtlosen Sennheiser-Mikrofonen in die Kamera. Damit lässt sich das Material schneller schneiden, weil man nicht noch die Tonspur eines externen Recorders synchronisieren muss. Das Arbeiten mit einem externen Recorder ist meiner Erfahrung nach nur dann notwendig, wenn man auf das letzte Quäntchen an Audioqualität angewiesen ist.

Unterdessen ist eine andere hoch interessante Kamera aus dem L-Mount-System für einen Kurztest bei mir eingetroffen, nämlich die Leica SL2. Wir drehen einen ersten Testmovie über diese Kamera, und meine Frau Ursula filmt mit der S1H in 5.9K, 25p, 10bit Farbtiefe. Die Schärfe der Aufnahmen verblüfft uns. Dank 5.9K kann ich in der Postproduction auch mal einen Schnitt machen und etwas zoomen und habe trotzdem immer noch eine Auflösung von 4K oder mehr. Hier ein kleiner Ausschnitt aus diesem Film, der einerseits dieses Cropping demonstriert und Ihnen auch einen Eindruck vom Ton gibt, den man mit dem über das Mikrophoninterface XLR1 gekoppelten Sennheiser AVX-ME2 Lavaliermikrofon erhält:

Das ganze Testvideo über die Leica SL2 von Peter Schäublin finden Sie hier.

 

Paris, wir kommen

Ursula und ich begleiten dieses Jahr Urs Tillmanns nach Paris. Die Seine-Metropole wird jedes Jahr im November zum Magnet für die Liebhaber der Fotografie: Parallel finden der Salon de la Photo, Paris Photo und Fotofever und viele weitere Fotoausstellungen statt. Dazu zeigen in dieser Zeit über 40 Galerien im Quartier Saint-Germain schwerpunktmässig Fotokunst. Ich halte Impressionen mit der S1H fest. Da ich mit leichtem Gepäck reise, nehme ich für dieses Projekt meine beiden Lieblings-Leica-SL-Objektive, das 2.0/35 mm und das 2.0/90 mm mit. Das Stativ bleibt zu Hause. Ich habe vorab einige Testclips mit der S1H ohne Schwenken gefilmt und dann in Adobe Premiere stabilisiert.
(Kleiner Einschub Nummer 1: Auch wenn sich viele über die Softwarefirma ärgern, weil sie ihre Programme nur noch im Mietmodus anbietet, sei es einfach mal gesagt, dass die Programme, die Adobe liefert, allererste Sahne sind. Die in Premiere stabilisierten Clips sind so ruhig, dass es mich verblüfft.).

Von Anfang an konzipiere ich den Film mit diesen ruhigen Clips, aber auch mit Stills. Und auch in diesem Bereich vermag die S1H richtig zu punkten. Sie liefert zwar «nur» 24 Megapixel (bis vor Kurzem waren wir damit ja noch hoch zufrieden, aber jetzt müssen es schon 50 Mpx sein), aber diese 24 Megapixel sind richtig toll. Wie die GH5s hat auch die S1H einen Sensor mit sogenannter Dual-Native-ISO-Technik: Hinter jedem Pixel liegen zwei verschiedene Schaltkreise, die für 640 und 4000 ISO optimiert sind. Will heissen: Auch im hohen ISO-Bereich liefert die Kamera sowohl im Film- wie auch im Fotomodus extrem rauscharme Resultate.

So tingeln Ursula und ich durch Paris, sammeln Eindrücke und halten diese mit kleinen Clips oder Fotos fest
(Kleiner Einschub Nummer 2: Paris Photo ist eine umwerfende Fotokunst-Ausstellung. Das Niveau der gezeigten Arbeiten und auch der Präsentation ist atemberaubend.).

Mit Ausnahme der Tänzer in der Défense, die ich in C4K 50p filme, realisiere ich die Clips in 5.9 K / 25p / 10bit, um wiederum etwas Spielraum fürs Croppen zu haben. Den letzten Teil mit Aufnahmen aus der Défense stelle ich in Premiere auf schwarzweiss und spiele mit den Kontrastreglern. Es zeigt sich, dass der Dynamikumfang der S1H-Clips toll ist. Bereits die mit 10 Bit Farbtiefe gefilmten Aufnahmen haben einen schönen Bearbeitungsspielraum. Wer den gesamten Dynamikumfang – Panasonic spricht von 14 Blendenstufen – ausreizen will, sollte mit dem V-Log-Profil filmen oder dann eben mit einem externen Monitor/Recorder wie dem Atomos Ninja V, der schon jetzt mit Apple ProRes tolle Resultate liefert und dann, wie bereits erwähnt, ab Frühling 2020 die Möglichkeit für RAW-Aufnahmen in 6K liefern wird. Wenn Panasonic der S1H nebst dem SD- auch einen QXD-Slot mitgegeben hätte, wären in Zukunft solche Aufnahmen vielleicht sogar ohne externe Geräte möglich gewesen. Dieses Manko ist für mich der einzige Minuspunkt an der S1H. Aus den «random splinters» schneide ich zuhause einen stimmigen Kurzfilm zusammen:

Kleine Anmerkung Nummer 1: Der Ton der Introszene ist mit dem kamerainternen Mikrofon aufgezeichnet worden.

Kleine Anmerkung Nummer 2: Die Stabilisierung der Aufnahmen ist wie erwähnt verblüffend, doch wer ganz aufmerksam hinschaut, sieht, dass die Software-Stabilisation an zwei oder drei Stellen leichte Bilddeformationen zur Folge hat. Es ist also nicht verkehrt, ab dem Stativ zu filmen ;-).

Hier eine kleine Diaschau von Bildern aus der Défense, realisiert mit der Panasonic S1H. Auf meiner Fotografie-Homepage finden Sie noch weitere.

 

Folgekosten …

Logisch ist auch, dass in der Postproduction einiges an Dampf in der Kiste sein muss, um die Clips zu verarbeiten: Mein iMac Pro, der immerhin 64 GB RAM hat, kommt mit den 5.9K-Aufnahmen bereits an die Grenzen, und ich arbeite mit Proxy-Files. Wenn man dann RAW-Clips direkt verarbeiten will, kommt man kaum darum herum, nebst der S1H auch noch im Computerbereich massiv aufzurüsten, und man muss noch etwas in andere Früchtchen, zum Beispiel in Äpfel investieren …

Text, Videos und Bilder: Peter & Ursula Schäublin

 

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