Urs Tillmanns, 9. November 2019, 12:30 Uhr

Paris im Zeichen der Neuheiten und der Fotokunst

Paris steht diese Zeit ganz im Zeichen der Fotografie. Da ist noch bis Montag – vor allem für Neuheitenfreaks und Technikbegeisterte – der Salon de la Photo, der das Produktengebot und die Neuheiten aller wichtigen Fotomarken zeigt (Fotointern berichtete). Dann sind für Fotokunst-Interessierte die Paris Photo im Fokus – als grösste jährlich stattfindende Fotokunstmesse der Welt – und das kleine Pendant dazu, die Fotofever, – zwei Messen, die einen hervorragenden Überblick über das Marktangebot und die Trends in der Kunstfotografie geben. Und letztlich lohnt sich ein abendlicher Spaziergang durch das Quartier Saint-Germain, wo über 40 Galerien Fotokunst als Schwerpunkt zeigen. Noch nicht genug? Dann gibt es unzählige Sehenswerte Ausstellungen, zum Beispiel im Centre Henri Cartier-Bresson, die Ausstellung über den Marokkaner Hassan Hajjaj im Maison Européenne de la Photographie oder die Bilder von Peter Hujar im Museum Jeu de Paume – um nur gerade einige Schwerpunkte zu nennen.

 

Der «Salon de la Photo» – das Fotoschaufenster Frankreichs

Man sagt ihr auch salopp «die Photokina Frankreichs». Tatsächlich gibt sie immer anfangs November einen hervorragenden Überblick über das aktuelle Produkte- und Neuheitenangebot der Vorweihnachtszeit von mehr als 220 Ausstellern und erwartet dazu rund 70’000 Besucher. Was es dieses Jahr alles an Neuheiten gibt, hat Fotointern in einem Sonderbericht gezeigt.

Unser Eindruck: Der Salon de la Photo hat unverändert über die Grenzen Frankreichs hinaus einen sehr wichtigsten Stellenwert, dies in einer Zeit, in der die Weiterexistenz der grossen Publikumsmessen allgemein in Frage gestellt ist. Man darf gespannt sein, in welcher Richtung sich die Besucherzahl dieses Jahr entwickelt. Jedenfalls haben wir bei unserem Besuch keine Besucherflaute festgestellt, und nach Aussagen einiger Aussteller, war man mit den Geschäften und dem Interesse des Publikums mehr als zufrieden.

Weitere Informationen unter www.lesalondelaphoto.com/

 

Paris Photo – Weltangebot an Fotokunst

Paris Photo ist in der weltweiten Galerienszene ein fester Begriff. Hier sind mehr als 200 Fotokunstanbieter aus allen Ländern vertreten unter den riesigen Glasdach des Grand Palais vereint und zeigen ebenso Klassiker, wie auch Newcomer. Ein idealer Ort, wenn Sie sich ein Bild über das aktuelle Bilderangebot im Kunstmarkt machen wollen, und neben seltenen Bildikonen auch unbekannte Werke von jungen Fotografen sehen wollen.

Auf der diesjährigen und 23. Ausgabe der Paris Photo zeigen 213 Galeristen aus 31 Ländern die Werke bekannter und (noch) unbekannter Fotografen im Grand Palais in Paris

Die Paris Photo ist in die fünf Sektoren «Prinicipal», «Éditions», «Prismes», «Curiosa» und «Films» im Kino des Grand Palais. Damit gibt die Paris Photo einen breiten Überblick über das aktuelle Fotokunstangebot des Weltmarktes.

Unser Eindruck: Die Paris Photo wird immer grösser – 8 Prozent mehr Aussteller als letztes Jahr – und damit unübersichtlicher. Es sind weniger Klassiker zu finden, dafür sehr interessante Werke junger, meist unbekannter Künstler. Dennoch vermittelt die Paris Photo einen unvergleichlichen Überblick über den Markt und die Trends in der zeitgenössischen Fotokunstszene.

Die Paris Photo dauert noch bis Sonntag 10. November 2019, 19:00 Uhr.
Weitere Informationen dazu gibt es unter www.parisphoto.com/

 

Fotofever – start to collect

Fotofever, die bereits zum 8. Male im Carrousel du Louvre stattfindet, ist die erste internationale Messe, die sich dem Sammeln zeitgenössischer Fotografie widmet. Sie bietet rund 100 Galerien und Verlagen mit mehr als 250 Künstler aus 20 Ländern Platz und stellt vor allem Werke in den Vordergund, die für unter 1000 Euro zu kaufen sind. Fotofever will vor allem junge Talente fördern ihnen kostengünstig die Gelegenheit bieten, ihre Werke öffentlich zeigen zu können.

«Start to collect» – Fotofever richtet sich in erster Linie an Fotoliebhaber, die ihre persönliche Sammlung mit Exponaten unter 1000 Euro beginnen wollen

Unser Eindruck: Fotofever hat sich mit dem Grundsatz, sich an junge Sammler von Kunstfotografie zu richten, eine Alleinstellung geschaffen, die offensichtlich sehr erfolgreich ist. Bereits letztes Jahr musste die Ausstellungsfläche deutlich vergrössert werden, und dieses Jahr wurde die Ausstellung durch ein neues Raumkonzept übersichtlich und besser besuchbar. Dennoch sind die Platzverhältnisse, gerade zur Betrachtung grösserer Bilder relativ eng.

Die diesjährige Fotofever zeigte ein sehr breites Spektrum zeitgenössischer Fotografie, mit teilweise hervorragenden Werken, die durchaus auch in der Paris Photo ihren Platz haben könnten.

Weitere Informationen unter www.fotofever.com/

 

Photo Saint-Germain: Ein Quartier voller Fotos

Mehr als 30 Galerien, Buchhandlungen, Museen und Institutionen zeigen noch bis 23. November 2019 Fotografien als Schwerpunkt ihrer Ausstellungen. Man findet sie nicht alle auf Anhieb, diese Orte der Fotografie, zumal auch andere der vielen Kunstgalerien im Quartier, die nicht offiziell zu «Photo Saint-Germain» gehören, ebenfalls die Werke von Fotografen als ihren vorübergehenden Schwerpunkt präsentieren. Die Zulassung sei mit dem Jurierungsverfahren relativ kompliziert und mit hohen Kosten verbunden, verriet uns eine Galeristin, die gleich zwei völlig verschiedene Portfolios an ihren Wänden präsentierte.

Unser Eindruck: Die Photo Saint-Germain hat schon letztes Jahr etwas von ihrem Charm verloren und die Organisation und die Hinweise auf die einzelnen Orte sind schlechter geworden. Dennoch lohnt sich der Bummel durch das einstige Künstlerviertel, auch wenn man dann und wann an Galerien hängen bleibt, die nicht zur Photo Saint-Germain gehören.

Weitere Informationen unter www.photosaintgermain.com/

 

Hassan Hajjaj im Maison Européenne de la Photographie

Die Paris Photo wirkt als Magnet für viele weitere Fotoausstellungen in Paris. Ein davon wollen wir hier besonders vorstellen: Die Retrospektive über das Werk des Anglo-Marokkaners Hassan Hajjaj, der dafür die gesamte Raumfläche des Europäischen Hauses für Fotografie nutzen konnte.

Hassan Hajjaj präsentiert eine Retrospektive seines sehr eigenwiligen und farbenfrohen Stils

Hassan Hajjaj zeigt uns mehrere Jahre seines Schaffens mit verschiedenen fotografische Serien, sowie Installationen, Videos, marokkanische Möbel und typische Kleider als Originalexponate. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten stehen Mode und Kleidung sowie deren Widersprüche mit seiner kritischen und unkomplizierte Sichtweise auf die Konsumgesellschaft.

Unser Eindruck: Hassan Hajjaj hinterfrägt in seinen Bildern die afrikanischen Traditionen, insbesondere das Tragen des Schleiers oder das tägliche Leben der Menschen in den Strassen Marokkos und ihre widersprüchlichen Umgangsformen im Kreise von Freunden und mit Fremden. Es ist eine für uns Europäer sehr ungewohnte Art der Fotografie, nicht nur was die Motive und deren Umsetzung anbelangt, sonder auch die übersteigerte Farbsättigung der Bilder und die interessante Präsentation der Bilder. Die absolut sehenswerte Ausstellung wird noch bis 17. November 2019 gezeigt.

Weitere Infos unter www.mep-fr.org

 

Peter Hujar im Museum «Jeu de Paume»

«Jeu de Paume», das Museum für zeitgenössische Kunst an der Place de la Concorde, konzentriert sich zum Zeitpunkt der Paris Photo immer auf eine Fotoausstellung. Dieses Mal zeigt es die Retrospektive «Speed of Life» des amerikanischen Fotografen Peter Hujar (1934-1987), der in den 1970er- und 80er-Jahren das soziale Leben in New York vor allem mit beeindruckenden Porträts fotografisch festhielt. Hujars menschliches Umfeld waren Tänzer, Musiker, bildende Künstler und Transvestiten doch findet der in diesen Kreisen aufblühende Lebensstil der Schwulenszene in seinen Bildern unverkennbar Niederschlag. Die Ausstellung präsentiert eine Auswahl von rund 140 Fotografien dieses einflussreichen Künstlers. Sie verfolgt Hujars Reise von seinen Anfängen Mitte der 1950er Jahre bis in die 1980er Jahre, als er einer der wichtigsten Akteure der East Village-Kunstszene war.

Unser Eindruck: Das Thema ist nicht jedermanns Sache, und einige der Bilder mögen sensible Besucher stören. Dennoch sind es ebenso aussergewöhnliche wie qualitativ hochstehende Bilder, die einen ungewohnten Lebensstil realistisch dokumentieren. 

Die Ausstellung ist noch bis 19. Januar 2020 zu sehen. Weitere Infos finden Sie unter www.jeudepaume.org

 

Henri Cartier-Bresson «China»

Das «Centre Henri Cartier-Bresson» wechselt etwa alle drei Monate das Thema seiner Ausstellung über diesen einzigartigen Fotografen – ein Besuch lohnt sich deshalb jederzeit. Die gegenwärtige Ausstellung zeigt zwei verschiedene Schaffensperioden der Chinareisen von Henri Cartier-Bresson in China, 1948/49 und 1958. Seine Reportagen, die er für die von ihm mitbegründeten Bildagentur «Magnum» erstellte und die den wichtigen Magazinen wie Life, Queen und Paris Match abgedruckt wurden, läuteten ein völlig neuen spontanen Stil des Fotojournalismus ein. Es sind Augenblicke, die sich vor Cartier-Bressons Leica abspielten und die er reaktionsschnell in bewegenden Bildern festhielt – dies zu einer Zeit, als das Leben im kommunistischen China für den Westen noch weitgehend unbekannt war. Die Ausstellung umfasst 114 Originale von 1948/49 und rund 40 Bilder von 1958 sowie viele Archivalien.

Unser Eindruck: Die Bilder gehören zu den wichtigsten in Henri Cartier-Bressons Schaffen und sind ein Meilenstein in der Geschichte des Fotojournalismus. Wohl kennt man einige der Bilder auch als Büchern, doch ist diese Dokumentation in seiner Komplettheit und mit Originalprints wohl einzigartig.

Die China-Ausstellung ist noch bis 20. Februar 2020 zu sehen. Weitere Infos dazu finden Sie unter www.henricartierbresson.org

Text und Fotos: Urs Tillmanns

 

2 Kommentare zu “Paris im Zeichen der Neuheiten und der Fotokunst”

  1. Urs im Photo-Schlaraffelland und lässt uns daran teilnehmen. Herzlichen Dank. Ists auch so kalt wie jetzt bei uns? Jetzt ein trifftiger Grund nach Paris mit TGV. Man kommt im Paris-Est an. Bahn-Angebot Lyria wird ausgebaut. War 2x da in den 70er mit 2 Exaktas zum Glück, eine fiel runter und war ko dank defektem Kameragurt eines sehr bekanntem Fremdherstellers. Metall zu weich. Seither nur lederanschlüsse. Nur notfalls plastik-adapter.

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