Christoph Jehle, 7. Dezember 2021, 16:00 Uhr

Lichtfeld-Fotografie im Aufwind: K|Lens One für alle Systeme angesagt

Die Lichtfeld-Fotografie, bei der man nach der Aufnahme die Fokusebene und die Schärfentiefe im Bild festlegen kann, hat schon verschiedentlich von sich reden gemacht, vor allem die Lytro-Kameras, die auf der Photokina 2012 (Fotointern berichtete)  vorgestellt wurde. Nach diesem Prinzip gab es 2014 auch ein Profimodell (siehe Fotointern) als letzter Versuch, plenoptische Kameras  in den Massenmarkt zu bringen. Das Interesse war jedoch verhalten, so dass sich Lytro 2016 aus dem Kamerageschäft zurückzog und 2018 ihre Geschäftstätigkeit ganz einstellte.

Jetzt kommt ein neuer Versuch, die Lichtfeld-Fotografie wieder anzukurbeln, der sich jedoch vielversprechender anhört: Mit der K|Lens One ist das erste Lichtfeldobjektiv für KB-Vollformatkameras jetzt serienfähig zur Fertigung bei Carl Zeiss Jena und wird erfolgreich in einem Kickstarter-Projekt angeboten. Das Verfahren funktioniert sowohl im Foto- als auch im Videomodus.

Bereits 2013 berichtete Fotointern über die Entwicklung eines neuartigen Lichtfeldmoduls für gängige Vollformatkameras. Aus dem Entwicklungsprojekt an der Universität des Saarlandes, der niederländischen TU Delft (Delft University of Technology) sowie dem Saarbrücker Max-Planck-Institut für Informatik und dem Institut national de recherche en informatique et en automatique (INRIA) in Bordeaux ist 2016 die K|Lens GmbH hervorgegangen.

Die zur Seriereife avancierte K|Lens One kann mit den entsprechenden Anschlüssen an allen Kameras verwendet werden

Die damals schon beschriebene Technik wurde Ivo Ihrke, heute Professor in Siegen, und seiner Forschungsgruppe erfunden. Sie kombiniert die Vorteile der Mikrolinsentechnik (ein Sensor, ein Objektiv, eine Kamera) mit den Vorteilen eines Multi-Kamera-Arrays (mehrere vollständige Bilder der verschiedenen Perspektiven). Vor der Veröffentlichung 2013 wurde der zugrundeliegende Ansatz weltweit und umfassend patentrechtlich geschützt. Vom praktischen Nutzen der Idee überzeugt, übertrug das Forschungsteam die Ergebnisse in das Inkubationsprogramm der Max-Planck Gesellschaft und der Universität des Saarlandes im IT Inkubator. 2017 konnten man die heutigen Seed-Investoren gewinnen, die von der Technik überzeugt waren und bis heute sind und somit steht man seitdem auf eigenen Beinen. 

Seit Januar 2019 arbeitet man mit dem ersten echte Hardware-Prototypen, der vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik (IOF) in Jena designt wurde. Eine erste Vorserie von 20 Stück ist seit 2021 verfügbar. Diese wurde vom ebenfalls in Jena ansässigen Produktentwicklungspartner Carl Zeiss Jena GmbH designt und gefertigt. Im Rahmen der Entwicklung konnte die Hardware von ursprünglich 100 cm Länge auf ca. 25 cm verkleinert werden. Auch die Software wurde permanent weiterentwickelt und verbessert. Die erste Version der K|Lens One hat eine Brennweite von 80 mm und ist mit allen Vollformatkameras kompatibel.

 

Funktionsprinzip der K|Lens

Die Lichtfeldfunktion entsteht durch die Integration eines Spiegeltunnels, ähnlich einem Kaleidoskop im Objektivinneren, wodurch zeitgleich neun leicht unterschiedliche Perspektiven einer Szene auf dem Kamerasensor aufgenommen werden. Durch den Gebrauch der K|Lens One werden also Daten erzeugt, die alternativ auch mit neun einzelnen Kameras erzeugt werden könnten, welche zeitgleich auf eine Szene gerichtet sind. Der Aufbau mit nur einer Kamera ist natürlich deutlich einfacher und leichter zu nutzen.

K-Lens hat zur optimierten Bildbetrachtung ohne Kaleidoskopeffekt im Kamerasucher einen Live-View-Monitor entwickelt

Mit Hilfe der «SeeDeep»-Software werden die neun Perspektiven in ein 3D-Bild verschmolzen. Dieses kann als Punktwolke oder als RGB-Bild ausgegeben werden, was um einen Tiefenkanal erweitert wird (RGBD). Dieser Kanal kann dann als Ebene oder Maske genutzt werden, die entweder direkt appliziert wird oder vorher selbst noch editiert werden kann. Die Daten können danach in allen gängigen Programmen weiterverarbeitet werden (Photoshop, Premiere, Nuke etc).

 

Unterschiede zur Lytro Illum

Die Lichtfeldkamera des US-Herstellers Lytro von 2012 (Fotointern berichtete) basierte auf einer anderen Technik. Diese arbeitete mit einem Mikrolinsen-Array vor dem Bildsensor, der eine sehr hohe Anzahl von niedrig aufgelösten Perspektiven generiert. Dies konnte nur mit einer speziell darauf ausgelegten Kamera realisiert werden, bei der ein vom Menschen betrachtbares Bild erst nach einer Weiterverarbeitung mit einer proprietären Software entsteht. Aufgrund der Komplexität des Systems war die Endauflösung der Bilder stark reduziert, oftmals konnten zudem Artefakte nicht ausgeschlossen werden und eine Weiterverarbeitung war nur in der Lytro-eigenen Suite möglich.

Die K|Lens One hingegen ist kompatibel mit allen Kamerasystemen mit Wechselobjektiv und heute schon existierenden Software-Tools. Durch das sehr einfache optische System werden vollständige Perspektiven auch ohne Weiterverarbeitung generiert. Zudem stehen durch Weiterentwicklungen in der Computational Photography heute wesentlich stabilere Verfahren der Tiefenberechnung, Auflösungserhöhung und Vermeidung von Artefakten zur Verfügung, als dies zur Zeit der Entwicklung des Lytro-Systems verfügbar war.

Ein weiterer Unterschied zum Lytro-System besteht darin, dass die «SeeDeep»-Software als Download-Datei verfügbar ist und der Nutzer nicht von den System-Servern abhängig ist, wie dies bei Lytro der Fall war.

 

Erfolgreiche Kickstarter-Kampagne

Am 29. November 2021 begann eine Vorbestellkampagne auf Kickstarter. Im Rahmen der Bestellung kann der Kameraanschluss angeben werden. Die Auslieferung der vorbestellten Objektive ist für Sommer 2022 geplant. Die Hardware soll ausentwickelt sein und wird nach Bestellung in die Fertigung übergehen. Die Mindestsumme für die Produktionsaufnahme beträgt 75’000 Euro. Mit einer aktuellen Summe von knapp 150’000 Euro (Stand 6.12.2021) wurde dieses Ziel schon 53 Tage vor Kampagnenende um fast 100 % übertroffen.

Über Kickstarter kann das K|Lens One-Lichfeldobjektiv einschliesslich dem Kameraanschlussadapter, einer Objektivschelle und einer Streulichtblende sowie der K|Lens Software «SeeDeep» bestellt werden. Als zusätzliches Ad-on wird ein 5″-Monitor mit eigener Software angeboten, die bei der Bildkomposition hilft, indem nur eines der neun Bilder angezeigt wird. Das Ad-On umfasst auch eine Halterung für den Monitor, ein HDMI-Kabel und einen Akku.

 

Preis und Verfügbarkeit

Der empfohlene Endkundenpreis für das K|Lens One-Objektiv einschliesslich der spezifischen Software soll bei 3,599 Euro liegen. Der heute noch verfügbare Kickstarter-Preis liegt mit 2’699 Euro deutlich darunter. Die Auslieferung soll im Sommer 2022 erfolgen.

Christoph Jehle

K|Lens One 6,3-19/80 mm – Spezifikationen
Internat. Bezeichnung K|Lens One 6,3-19/80 mm
Brennweite 80 mm
Lichtstärke 1:6,3-19
Optische Konstruktion 17 Elemente in 13 Gruppen
Optische Auflösung 45 MP
Formatabdeckung 36 x 24 mm
Bildwinkel 25° (horizontal)
max Blendenöffnung 0,8 (virtuell)
Blendeneinstellung manuell
Blendenlamellen 15
Nahgrenze 0,5 m
Fokussierbereich 0,5 m bis Unendlich
Fokussierung manuell
Stabilisierung nicht vorhanden
Verfahren zur Tiefenermittlung Multiview-Stereo
Basislänge 6,25 mm (15 mm max.)
Idealbereich der Tiefenberechnung 1 m bis 15 m
Filterdurchmesser ⦰ 67 mm
Kameraanschluss Canon EF-, Nikon F-, Sony E- und Bajonett (Leica L, Nikon Z und Canon R über Adapter)
Länge 253 mm
Gewicht 1’720 g

 

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