Urs Tillmanns, 19. Juni 2023, 18:11 Uhr

In zwei Wochen starten die Rencontres in Arles

Am Montag, 3. Juli 2023 eröffnen die 54. Rencontres de la Photographie in Arles mehr als 50 Ausstellungen. Zudem finden viele Workshops, Führungen, Abendprojektionen und Diskussionen statt, die neben einer Standortorientierung der zeitgenössischen Fotografie unendlich viel Inspiration bieten.

 

Arles bietet ein breites Kulturspektrum, dies schon seit der Römerzeit. Die nächsten drei Monate dreht sich hier alles um Kunstfotografie (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)

Jedes Jahr, und dies seit 1970, ist das Internationale Fotofestival in Arles ein Mekka der Kunstfotografie. An mehr als 30 Orten in der Provence-Metropole und vielen anderen Städten in der Region, finden mehr als 50 Fotoausstellungen zu den verschiedensten Themen von international bekannten Fotokünstlern oder auserwählten Newcomern statt. Besonders in der Eröffnungswoche, vom 3. bis 9. Juli 2023, lohnt sich der Besuch, weil dann die meisten der Fotografinnen und Fotografen noch vor Ort sind und viel Spannendes zu ihren Kreationen erzählen können. Die Ausstellungen sind jedoch bis 24. September 2023 zu sehen und mit ein Grund inspirierende Tage in Südfrankreich zu verbringen.

 

Neben Museen und Galerien dienen auch ausgediente Kirchen als Ausstellungsorte, wie hier zum Beispiel die «Eglise des Frères Prècheurs» mit der Ausstellung von Philippe Chancel «Datazone» 2019 (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)

Jedes Jahr steht das Festival in Arles unter einem bestimmten Motto, dieses Jahr «un état de conscience» (ein Zustand des Bewusstseins). «Die Fotografen, Künstler und Kuratoren lassen uns die Veränderungen, die wir erleben, mit bestechender Schärfe sehen und wahrnehmen» definiert Christoph Wiesner, Direktor der Rencontres Arles, das Leitmotiv. «Das Bewusstsein – zumindest für den Klimawandel – ist unvermeidlich geworden und wirkt sich direkt auf unsere Gewohnheiten aus».

 

Auch stehen grosszügige Ausstellungshallen zur Verfügung, zum Beispiel im «Parc des Ateliers», den früheren SNCF-Werkstätten (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)

Dieses Jahr konnte das Angebot an Fotoausstellungen über die Stadtgrenzen hinaus in die Region und bis nach Nîmes, Avignon, Aix-en-Provence und Marseille ausgedehnt werden, in dem mehrere Museen und Institutionen ihre temporären Ausstellungen ebenfalls fotografischen Themen widmen. Die Eintrittskarten der Rencontres Arles sind auch an diesen Orten gültig.

 

Die «Rencontres» sind auch ein idealer Begegnungsort, wo man sich abends im Bistrot zu einem guten Essen oder einem feinen Glas Wein trifft (Foto Urs Tillmanns /Fotointern)

 

Hier einige Highlights der Rencontres 2023

Gregory Crewdson «Eveningside – 2012-2022»

In den letzten drei Jahrzehnten hat Gregory Crewdson ein Porträt des mittleren Amerikas gezeichnet, jenes Amerikas der Vorstädte, das mit grossen Augen auf den Schimmer eines verblassenden Traums starrt. Seine kinematografisch inszenierten Fotos haben nach und nach die Fragmente einer dämmernden Welt zusammengefügt und verwebt auf verblüffende Weise eine autobiografische Dimension mit dem Porträt eines glanzlosen Amerikas.

 

Agnès Varda «La Pointe Courte from Photographs to Film»

Agnès Varda hegte eine besondere Vorliebe für Sète. Sie wurde als jugendlicher Flüchtling während des Zweiten Weltkriegs nach Sète adoptiert und kehrte bis Anfang der 1960er Jahre jedes Jahr in die Stadt zurück. Sie begann 1947 als Amateurfotografin und wurde dann Profi. Mit ihrer Rolleiflex fotografierte sie Freunde, Matrosen, die Kais der südlichen Stadt, Wasserspiele auf den Kanälen … und bald auch die Fischer und die engen Gassen von Pointe courte, dem Arbeiterviertel am Étang de Thau, das die Grundlage für ihren ersten Film von 1954 bildet.

 

Wim Wenders «My Polaroid Friends»

Ende 1976 drehte Wim Wenders den Film «The American Friend» in Hamburg und Paris mit Bruno Ganz und Dennis Hopper in den Hauptrollen, welcher auf dem Roman «Ripley’s Game» von Patricia Highsmith basierte. «Damals entsprachen Polaroid-Fotos dem, was Sie heute mit Ihrem Smartphone machen» erklärt Wim Wenders. «Polaroids waren wirklich ein fotografisches Notizbuch, nur dass die Kameras gedruckte Originale ausspuckten. Ich nahm meinen Drehort auf und pinnte die kleinen Abzüge als bleibende Erinnerung an die Wand des Produktionsbüros.

 

Hannah Darabi «Soleil of Persian Square»

«Soleil of Persian Square» untersucht den Lebensstil der iranischen Diaspora in Los Angeles anhand ihrer visuellen Identität. Hannah Darabi versucht, dieser fiktiven Stadt namens Tehrangeles ein Gesicht zu geben, die sie Bilder aus ihrer Jugend im Zusammenhang mit populärer Musik entdeckt hat. Die Arbeit zielt darauf ab, alltägliche Szenen von Los Angeles und Orange County, die Zeichen dieser Diaspora tragen, Porträts ihrer Bewohner, Objekte der Populärkultur (Kassettenhüllen, Songtexte, Screenshots von Musikvideos aus den 1980er und 1990er Jahren…) und Seiten aus Verzeichnissen mit Bezug zu Aktivitäten der Diaspora zusammenzubringen.

 

Søsterskap Contemporary Nordic Photography

Søsterskap beleuchtet die starke Rolle der Fotografen aus mehreren Generationen in den nordischen Ländern. Die Ausstellung bringt seit den 1980er Jahren viele Fotografinnen und Fotografen aus Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden zusammen, deren Arbeiten – basierend auf unterschiedlichen Ansätzen von dokumentarisch bis konzeptionell – den soziopolitischen Kontext des Wohlfahrtsstaates widerspiegeln. Die Wechselwirkung zwischen der Fotografie und diesem sozialdemokratischen Modell wird hier als ein Schlüsselfaktor für das Panorama der Kameraarbeit in der Region betrachtet.

 

50 Years Through The Eyes of Liberation

Seit fünfzig Jahren verfolgt die Zeitung «Libération» den Lauf der Zeit und fordert ihn heraus. Von den Ereignissen in Larzac und der Wahl Mitterrands bis hin zum Marsch der Araber, dem Krieg in Tschetschenien, Metaleurop, den Gilets Jaunes und der Ukraine – durch Libération wird die Welt in Bildern wiedergegeben. Die hier gezeigten Fotografien wurden aus einer umfangreichen Sammlung in ausgewählt und lassen uns ein halbes Jahrhundert jüngster Geschichte erleben. Im Laufe der Jahre haben Hunderte von Fotografen mit Libération zusammengearbeitet, z.B. Henri Cartier-Bresson, Raymond Depardon, Françoise Huguier und William Klein bis hin zu jüngeren Kollektiven, die gemeinsam mit den Kollegen der Zeitung ein Konzept der Pressefotografie, einer Fotografie von Künstlern im Dienste des Zeitgeschehens gestalten.

 

Casa Susanna

Im Jahr 2004 entdeckten zwei Antiquitätenhändler auf einem Flohmarkt in New York City 340 Fotografien aus den 1950er und 1960er Jahren. Das Besondere an diesen Bildern war, dass sie Männer in Frauenkleidern zeigten, deren weibliche Identität die der «ehrbaren» Hausfrau, des Mädchens von nebenan oder der netten Matrone war. Hinter den Fotografien verbirgt sich ein riesiges, verborgenes Netz von Crossdressern. Sie verkörperten den amerikanischen Traum und seinen Albtraum in einer Zeit der rassischen, sexuellen und politischen Segregation in einem Amerika des Kalten Krieges, das diejenigen zensierte, unterdrückte, ausschloss und jagte, die gegen die Geschlechternormen der Zeit verstiessen, von Crossdressern bis zu Homosexuellen.

 

Hien Hoang «Across The Ocean»

«Alles ist gut, jenseits des Ozeans», schrieb Hien Hoangs Tante 1988 in einem Brief aus Berlin an ihre Familie. Der Brief, den sie kurz nach ihrer Migration von Vietnam nach Ostdeutschland als Vertragsarbeiterin geschrieben hatte, spiegelt die Fassade der Akzeptanz wider, die ein Individuum aufrechterhalten muss, wenn es sich in einer fremden Gesellschaft assimiliert. Als Hoang ihre Tante 2014 besuchte, fiel ihr der Zwiespalt auf, der zwischen dem Tonfall der Briefe ihrer Tante und dem Kampf, der ihr Leben prägte, bestand. Across the Ocean ist eine Provokation und eine Herausforderung an die Stereotypisierung der asiatischen Kultur durch die westliche Gesellschaft.

Praktische Infos

Was? Internationales Fotofestival «Les Rencontres de la Photographie» in Arles (F)
Wo? Ganzes Stadtgebiet Arles, (sowie Einzelausstellungen in Aix-en-Provence, Avignon, Le Puy-Sainte-Réparade, Nîmes, Saint-Rémy-de-Provence, Marseille)
Wann? Eröffnungswoche vom 3. bis 9. Juli 2023, Ausstellungen bis 24. September 2023
geöffnet täglich vom 10:00 bis 19:30 Uhr
Wie viel? Dauerkarte EUR 39/32 (online) EUR 42/34 (Kasse), (EUR 35/28, bzw 37/30 ab 28.08.2023)
Tageskarte EUR 32/27 (online) EUR 34/29 (Kasse), (EUR 30/25, bzw EUR 32/27 ab 28.08.2023)
Website Französisch oder Englisch  

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RENCONTRES ARLES 2023 – PROGRAM
ARTIST TITLE VENUE *
FROM FILM TO STILLS
GREGORY CREWDSON EVENINGSIDE– 2012-2022 21
AGNÈS VARDA LA POINTE COURTE, FROM PHOTOGRAPHS TO FILM 4
WIM WENDERS MY POLAROID FRIENDS 7
SCRAPBOOKS INSIDE THE IMAGINATION OF FILMAKERS 7
REPRESENTATIONS
AURÉLIEN FROMENT / PIERRE ZUCCA OPTICAL THEATER 23
NICOLE GRAVIER MYTHS AND CLICKS 18
HANNAH DARABI SOLEIL OF PERSIAN SQUARE 8
SØSTERSKAP CONTEMPORARY NORDIC PHOTOGRAPHY 1
REVISITING
ZOFIA KULIK SPLENDOR OF THE ARTISAN 6
SAUL LEITER ASSEMBLAGES 3
50 YEARS THROUGH THE EYES OF LIBÉRATION 26
LIGHT OF SAINTS A PHOTOGRAPHIC PILGRIMAGE 5
MAPPING THE EYE
HERE NEAR MATHIEU ASSELIN, TANJA ENGELBERTS, SHENG-WEN LO 23
ERIC TABUCHI AND NELLY MONNIER GREY SUN 24
SPECIAL ATTENTION JINGYU CAO, RAPHAËL LODS, IRIS MILLOT 24
YOHANNE LAMOULÈRE THE RIVER’S CHILDREN 10
EVA NIELSEN AND MARIANNE DERRIEN INSOLARE 4
JULIETTE AGNEL THE CHILD’S HAND 2
MACIEJKA ART HOJA SANTA [HOLY LEAF] 17
ROBERTO HUARCAYA TRACES 17
GARUSH MELKONYAN COSMOVISIÓN 15
REMINISCENCE(S)
CASA SUSANNA 7
JEAN-MARIE DONAT COLLECTION DON’T FORGET ME 17
BETWEEN OUR WALLS TEHRAN, IRAN 1956-2014 17
ROSÂNGELA RENNÓ ON THE RUINS OF PHOTOGRAPHY 21
OLEÑKA CARRASCO PATRIA 17
EMERGENCES
MOVING DEFINITIONS AN INVITATION TO RE-VIEW 13
IBRAHIM AHMED AND LINA GEOUSHY INHERITING AND SURRENDERING THE PERFORMANCE 13
SOUMYA SANKAR BOSE A DISCREET EXIT THROUGH DARKNESS 13
SAMANTHA BOX CARIBBEAN DREAMS 13
PHILIPPE CALIA THE AJAIB GHAR ARCHIVE 13
MD FAZLA RABBI FATIQ HOME 13
HIEN HOANG ACROSS THE OCEAN 13
VISHAL KUMARASWAMY ಮರಣ MARANA [DEMISE] 13
NIEVES MINGUEZA ONE IN THREE WOMEN 13
ISADORA ROMERO FUME, ROOT, SEED 13
RITI SENGUPTA THINGS I CAN’T SAY OUT LOUD 13
DANIEL WAGENER OPUS INCERTUM 11
TAN CHUI MUI JUST BECAUSE YOU PRESSED THE SHUTTER? 26
NIGHT OF THE YEAR 2023 THE BEST OF 17
ARLES BOOKS
THE 2023 BOOK AWARDS 23
LUMA RENCONTRES «DUMMY BOOK AWARD» 23
ARLES BOOKS FAIR 2023 1/2 C
ARLES BOOKS FAIR 2023 2/2 18
 
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DIANE ARBUS CONSTELLATION 19
AHLAM SHIBLI DISSONANT BELONGING 20
AGNÈS VARDA A DAY WITHOUT SEEING A TREE IS A WASTE OF A DAY 19
​​FISHEYE IMMERSIVE HABEAS CORPUS 16
CÉLINE CLANET GROUND NOISE 17
CHARLES FRÉGER AAM AASTHA 12
DOLORÈS MARAT CHROMATIC DISRUPTION 17
MYOP MANIFESTO AMNESTY INTERNATIONAL 22
SPENCER OSTRANDER AND PAUL AUSTER BLOODBATH NATION 17
FONDATION MANUEL RIVERA-ORTIZ GROW UP 9
PORTRAITS THE FLORENCE AND DAMIEN BACHELOT COLLECTION 14
JACQUES LÉONARD THE NOMAD SPIRIT 14
ROMAIN BOUTILLIER LOST IN CAMARGUE 27
MARGUERITE BORNHAUSER BACK TO DUST 25
 
GRAND ARLES EXPRESS
THE MIDDLE OF LANDS A MEDITERRANEAN TRAVEL LOG Aix-en-Provence
LOUISE LAWLER THE LAMBERT COLLECTION Avignon
JOURNEYS WITH WARHOL Le Puy-Sainte-Réparade
PAULIEN OLTHETEN THE HOLY SERIOUSNESS OF PLAY Marseille
MNÉMOSYNE Marseille
AT THE HOUSEHOLD APPLIANCES SHOW, 1923-1983 FLYING TRAY, AUTOMATIC DISHWASHER, INSTANT MASHED POTATOES Marseille
WONDER WHEEL: HAROLD FEINSTEIN Mougins
SUZANNE LAFONT LOOKS AT THE MUSEUM’S PHOTOGRAPH COLLECTION Nîmes
NOÉ SOULIER FRAGMENTS Nîmes
MARTINE SYMS UGLY PLYMOUTH Nîmes
LOUISE BOSSUT PUT TO THE TEST Saint-Rémy-de-Provence
 
* Die Zahlen korrespondieren mit obenstehendem Plan / Angaben ohne Gewähr

 

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