Urs Tillmanns, 16. September 2023, 09:39 Uhr

Buchtipp: «The Adidas Archive – The Footwear Collection» 40th Ed

Die Rosinen aus dem adidas-Archiv gibt es nicht nur in einem teuren Luxusband, sondern nun auch als eine kostengünstigere, inhaltlich leicht reduzierte Variante. Das Buch erzählt die Geschichte der legendären Sportschuhmarke und zeigt eine Vielfalt von Sondermodellen, mit denen Sportler aller Disziplinen ihre Wettkämpfe gewannen.

Kennen Sie die Geschichte von adidas? Genau, das sind jene Sportschuhe mit den drei Streifen. Dazu hat es vor drei Jahren einen Luxus-Bildband im Taschen-Verlag gegeben (Fotointern rezensierte), der die ganze Geschichte mit allen Schuhmodellen und vor allem den Sondereditionen für Spitzensportler dokumentierte. Inzwischen ist der fünfeinhalb-Kilo-Wälzer vergriffen (soll aber nochmals neu aufgelegt werden). Das Prachtexemplar war auch nicht ganz billig, und viele hatten damals wahrscheinlich gezögert, dafür einen Hunderter aufzuwerfen.

Nach der Luxusausgabe, die vor drei Jahren herauskam, gibt es nun auch eine kleinere und kostengünstigere Variante der adidas-Geschichte

Die grosse Nachfrage nach diesem Buch hat nun die Taschen-Leute bewogen eine «Volksausgabe» herauszubringen, die nur einen Viertel kostet und bis auf das ursprüngliche Vorwort und einige Kapitel von nicht im Handel erschienen Sondermodellen mit dem Luxusbuch inhaltlich identisch ist.

Das Buch ist eine Augenweide, was die Fotos der Riesen-Kollektion von adidas anbelangt. Es erzählt die Geschichte der Gebrüder Adi und Rudolf Dassler in drei Sprachen, wie sie ihre ersten Sportschuhe in der Waschküche entwarfen und wie daraus eine Weltfirma wurde. Der Name adidas war schon bald aus der Sportwelt nicht mehr wegzudenken, und adidas rüstete die Spitzensportler aller Disziplinen und olympischen Wettkämpfe mit passenden, oft speziell angefertigten Sportschuhen aus. Häufig wurden die von den Sportlern nach ihren Wettkämpfen nicht mehr benötigten Schuhe signiert oder nach einem legendären Lauf mit einer Widmung an adidas zurückgegeben. Diese landeten dann zwar als Ikonen im Archiv, doch dienten sie auch der Weiterentwicklung, um die Besonderheiten und Schwächen der getragenen Schuhe zu studieren. So hat sich, zunächst auf dem Dachboden der Dasslers, nicht nur die ganze Sortimentsbreite der adidas-Produkte angesammelt, sondern es wurde ein wichtiges und einzigartiges Stück Sportgeschichte zur adidas Collection zusammengetragen.

Die beiden Fotografen Christian Habermeier und Sebastian Jäger haben es sich während Jahren zur Aufgabe gemacht, den Bestand der adidas-Collection historisch aufzuarbeiten und diese in ihrem «studio waldeck photography» in Scheinfeld zu fotografieren. Dabei verlangte jedes Objekt viel Behutsamkeit, technische Präzision und höchste Aufmerksamkeit, sowohl beim Shooting als auch bei der Postproduktion. «Sachliche Schönheit ist das Ziel, Reduktion auf das Wesentliche» sagt Christian Habermeier. «Alles ist ‘echt’, die Rasenreste und Flecken auf dem Leder, aber auch Risse und Reparaturbänder, die Unterschriften – bis zum originalen Schattenwurf der Schuhe. Nichts ist manipuliert, das pure Objekt. Fotografisch eine sehr reizvolle und anspruchsvolle Aufgabe, gerade in der Objektfotografie wird sonst in der Postproduktion sehr viel manipuliert. Hier musste jede Aufnahme schon von Anfang an stimmen, puristisch, echt …»

Das Buch fasziniert schon alleine durch die Vielfalt der abgebildeten Schuhmodelle und noch mehr durch die Geschichten, die sich hinter den einzelnen Paaren verbergen. Man realisiert, dass der Name adidas nicht nur eine Sportschuhmarke ist, sondern dass sich dahinter eine ganz bestimmte Philosophie und viel persönliches Engagement der Entwickler verbirgt. Jeder Schuh hat seine Geschichte, wie beispielsweise die Sprintschuhe, mit denen Line Radke 1928 die Goldmedaille in Amsterdam gewann, das «Wunder von Bern», mit welchem dem Nürnberger Stürmer Max Morlock 1954 im Wankdorf-Stadion der wichtige Anschlusstreffer in der 10. Spielminute gelang, die Boxstiefel von Muhammad Ali, mit denen er 1971 im Madison Square Garden Joe Frazier besiegte, die Flügelschuhe von Jeremy Scott oder die hochabsätzigen Stiefel von Madonna.

Das Buch erzählt nicht nur eine Sportgeschichte, sondern es ist auch ein Leistungsausweis für das Fotografenteam. Jeder Schuh ist in der Regel in zwei Ansichten auf seiner Doppelseite abgebildet, mit einer ausgeklügelten Beleuchtung, die einerseits schattenlos wirkt, anderseits alle Feinheiten der Lederoberfläche, der Materialbeschaffenheit, der Farbe und, sofern vorhanden, der Signatur des Sportlers zur Geltung bringt. Aber nicht nur das Licht ist beim Fotografieren von Schuhen wichtig, sondern auch deren Stellung und die Wahl der Brennweite und Perspektive, damit im Bild die Proportionen der Schuhe korrekt wiedergegeben werden.

Für wen ist dieses Buch? In erster Linie werden natürlich Sportbegeisterte darauf ansprechen, die selbst auf diese Marke stolz sind und mehr über deren spannende Geschichte und die extravaganten Schuhmodelle wissen möchten. In dieser kleinerenund kostengünstigeren Variante spricht es auch eine neue Zielgruppe an, die sich nun das wichtigste Buch zur adidas-Geschichte leisten wollen oder die es jemandem verschenken, der sich für dieses Thema besonders interessiert. Und letztlich ist es ein Musterbeispiel für eine hervorragende Realisierung, sowohl in grafischer, textlicher aber vor allem aus fotografischer Hinsicht.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Vor über 100 Jahren stellten die Gebrüder Adolf («Adi») und Rudolf Dassler ihre ersten paar Sportschuhe her. Taschen präsentiert jetzt eine visuelle Aufarbeitung der Geschichte des Adidas-Schuhs mit fast 200 Modellen. Wir begegnen Helmut Rahns Endspielschuhen des „Wunders von Bern“, Sondermodellen für Run DMC oder Lionel Messi, Collabs mit wichtigen Designern, Musikern und Organisationen wie Pharrell Williams, Raf Simons, Stella McCartney, Yohji Yamamoto sowie wegweisenden Techniken und Materialien.

Um seine Produkte weiter zu entwickeln und auf ihre spezifischen Bedürfnisse zuzuschneiden, bat Dassler die Athleten, ihre getragenen Schuhe nach Gebrauch zurückzugeben (bis heute geben viele Sportler ihre Schuhe an adidas zurück, oft als Dankeschön nach einem Titelgewinn oder Weltrekordversuch). Daraus entwickelte sich das «adidas archive», eines der weltweit größten historischen Archive eines Sportartikelherstellers, das die Fotografen Christian Habermeier und Sebastian Jäger seit Jahren umfassend und detailliert dokumentieren.

Mittels hochauflösender Reproduktionstechniken wurden den Schuhen möglichst viele Details entlockt. Alles, was man sieht, Risse, Flecken, Grasreste, verblasste Signaturen, ist echt und bringt die persönlichen Geschichten jedes einzelnen Trägers ans Licht. Der Betrachter wird in die Lage versetzt, feinste Materialdetails wie Nähte und Webstrukturen zu entdecken und die Entwicklung des adidas-Schuhs en détail nachzuvollziehen. Mit drei Expertenessays dokumentiert der Band nicht zuletzt Deutsche Sport-, Design- und Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen der Gebrüder Dassler über die Gründung von adidas bis heute.

Sepp Herbergers Anweisung «Adi, stoll auf» ist fast so legendär wie der Radiokommentar von Herbert Zimmermann. Der Ausgang ist bekannt: Deutschland wird Fußballweltmeister und Dassler zum „Schuster der Nation“. Oder der Ausspruch von Tennislegende Stan Smith: «Some people think I’m a shoe». Oder die Geschichte des Superstars, der in den 80ern durch den Song «My adidas» der New Yorker HipHop-Gruppe Run DMC zum Lifestyle-Sneaker wurde. Dies sind einige von vielen Geschichten, die Marken und Helden zusammenbringen. Man darf gespannt sein, welches sportliche Highlight als nächstes kommt.

 

Der Inhalt

Die Marke mit den drei Streifen (Marcus Wessel)
Die Zeit vor adidas / In der Waschküche fing alles an / Früher Erfolg / Gründung und Aufstieg / «Das Wunder von Bern» – adidas wird Zeitgeschichte / Die Geburt der Klassiker / Der Chef tritt ab / Neue Konkurrenten und Krisen / Zurück in die Zukunft

Im Dienst des Objekts (Christian Habermeier)

Geschichte fotografieren (Sebastian Jäger)

Gebrüder Dassler – Sportschuhe aus der Waschküche

 

1950s – Drei Streifen im «Wirtschaftswunder»

 

1960s – Erfolge in Serie

 

1970s – Schuhe werden zu Ikonen

 

1980s – Neue deutsche Welle

 

1990s – Eine Marke erfindet sich neu

 

2000s – Mehr als ein Sommermärchen

 

2010s – Sportschuh 2.0

 

Classics – Trefoil-Ikonen

Index, Danksagungen, Impressum

 

Die Fotografen

Christian Habermeier arbeitet seit 1989 als Fotograf und Designer. Er studierte Kommunikationsdesign und lehrte in den Jahren 2000 bis 2006 Fotografie und Digitale Illustration. Außerdem verfolgt er eigene Projekte in Kuba, Kenia, Nepal, Indien, der Schweiz und Hong Kong. Im Jahr 2000 gründete er das studio waldeck photographers und konnte damit 2013 seine lang gehegte Vision eines CO2-neutralen Studios umsetzen.

Sebastian Jäger studierte Design an der Georg-Simon-Ohm-Fachhochschule Nürnberg mit den Schwerpunkten Bewegtbild und Fotografie. Dort lernte er 2005 den damaligen Dozenten Christian Habermeier kennen. Ihre gemeinsame Firma studio waldeck photographers betreut Kunden aus Industrie und Kulturbetrieb. Seit 2011 visualisieren sie die Bestände des historischen Archivs von adidas.

 

Bibliografie

«The adidas Archive. The Footwear Collection. 40th Ed.»
Hardcover, 15.6 x 21.7 cm, 1.11 kg, 512 Seiten
Taschen-Verlag, Köln
Preis: CHF 25.00 / EUR 25,00
ISBN 978-3-8365-9107-2  Ausgabe: Deutsch, Englisch, Französisch
ISBN 978-3-8365-9108-9  Ausgabe: Englisch, Italienisch, Spanisch

Das Buch ist im Buchhandel bestellbar oder direkt beim Verlag erhältlich.

 

 

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