Markus Zitt, 29. Juni 2012, 15:00 Uhr

Wer hat das bessere Auge? – Experiment mit Blickregistrierung bei Fotografen

Nikon hat zusammen mit einem Eyetracking Forschungsunternehmen ein kleines Experiment durchgeführt, bei dem Profi- und Hobbyfotografen während des Fotografierens mit Hilfe einer Blickregistrierungsbrille beobachtet wurden. Auf Basis der Ergebnisse dieses Experiments geben die Profis einige Tipps zur Schulung des fotografischen Auges.

Oft hört man die Redensart, dass jemand ein Auge für Fotografie hat – aber was bedeutet das eigentlich? Kann man das lernen oder ist es eine angeborene Fähigkeit?

Nikon führte mit dem Blickregistrierungs-Forschungsunternehmen – Eyetracker – ein Experiment durch, bei dem die Augen- bzw. die Blickbewegungen von Profifotografen während dem Komponieren und Aufnehmen verschiedener Bilder analysiert wurden. Diese Daten wurden mit der Herangehensweise eines Amateurfotografen bei den gleichen Motiven verglichen. (Schon allein wegen der Stichprobengrösse bzw. der geringen Zahl an Fotografen hat die Untersuchung rein explorativen Charakter und keinen wissenschaftlichen Anspruch, ist deswegen aber nicht minder interessant und zeigt in Richtung einer möglichen Erklärung für die unterschiedlichen Bildresultate.)


Video auf Youtube mit Szenen des Experiments

 

Die Fotografen

Die von Nikon ausgewählten Fotografen sind Profis auf ihrem Gebiet. Andreas Schmidt ist ein deutscher Fotograf, der auf Architektur- und Reisefotografie spezialisiert ist. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: das erste über eines der berühmtesten Reiseziele überhaupt – Las Vegas – und eines über das Londoner Finanzviertel The City. Laurent Baheux ist ein französischer Natur- und Tierfotograf. Er hat acht Jahre lang Wildtiere in Afrika fotografiert. Duncan Soar schliesslich ist ein englischer Event-Fotograf, der regelmässig auf Preisverleihungen, Unternehmensveranstaltungen und privaten Festen fotografiert.
Will Painter, der Amateur in diesem Exeriment, ist begeisterter Hobbyfotograf, hat jedoch nie formale Kurse oder Schulungen zur Fotografie besucht. Wie bei vielen Amateurfotografen basieren seine Kenntnisse und Vorgehensweisen auf praktischer Erprobung (Trial-and-Error-Verfahren).

Die Motive

Die Reisefotografie-Aufnahmen fanden an einer belebten Touristenattraktion, die Naturaufnahmen in einem Waldgebiet und die Event-Aufnahmen in einer beliebten Bar statt. Die Profifotografen und der Hobbyfotograf nahmen ihre Fotos unter den gleichen Testbedingungen und mit der gleichen Kamera auf.

Die Kamera

Alle vier Fotografen verwendeten für ihre Aufnahmen eine Nikon D3200 (News-Meldung auf fotointern, Produktinfoseite bei Nikon). Es handelt sich dabei um die jüngst vorgestellte digitale Spiegelreflexkamera für Einsteiger, die es durch einfache Bedienung und einen Guide-Modus auch unerfahrenen Benutzern das Fotografieren leicht macht und ihren Benutzern somit erlaubt, sich ganz auf ihre Motive zu konzentrieren. Darüber hinaus bietet die DSLR eine Full-HD-Videofunktion und trumpft durch eine hohe Auflösung von 24,2 Megapixel auf.

Die Methode

Für die Blickregistrierung der Fotografen wird ein spezielles Brillengestell verwendet. Dieses enthält eine kleine nach vorne gerichtete Kamera, die in Blickrichtung des Fotografen filmt und so aufgezeichnet, welchen Bereich seiner Umgebung er anschaut. Gleichzeitig wird von der Brille nach hinten in die Augen eines Probanden (hier jeder der vier Fotografen) geschaut und dabei dessen Augenbewegungen dokumentiert.

Es wird der Umstand genutzt, dass die Netzhaut (sozusagen der Fotosensor) hinten im Inneren des Auges (Glaskörper) nur an einer eng begrenzten Stelle (Sehgrube bzw. Fovea centralis) wegen erhöhter Sensorendichte (mehr Zäpfchen-Rezeptoren) scharf sieht. Was mit dieser Stelle der Netzhaut angeblickt wird, wird detailliert aufgenommen, wobei der Blick oft nur Sekundenbruchteile an einer Stelle verharrt. Das Blickpunkt wird als Lichtpunkt ins Video der nach vorne gerichteten Kamera eingeblendet und zeigt so, wann der Proband wohin blickte. Solche Blickregistrierungs- oder Eyetracking-Verfahren werden u.v.a. in der Werbewirkungsforschung oder bei Software-Usability-Tests eingesetzt.

 

Die Erkenntnisse

Im Rahmen des Experiments analysierten die Untersuchenden, wie die Profifotografen und der Amateurfotograf in der jeweiligen Situation ihre Aufnahmen machten, um daraus die entscheidenden Unterschiede zwischen beiden Anwendergruppen zu ermitteln. Dadurch wurden interessanten Erkenntnisse darüber gewonnen, was »ein Auge fürs Fotografieren« ausmacht.

 

Nehmen Sie sich Zeit: Profis nehmen sich dreimal mehr Zeit als ein Amateur

Profifotografen nehmen sich sehr viel mehr Zeit für ihre Bilder. Die Profis in diesem Experiment benötigten zwischen 10 und 10:45 Minuten, um durch Herumlaufen den besten Aufnahmestandort zu finden und ein Bild zu erzielen, das ihrer Ansicht nach das Motiv am besten einfängt. Im Durchschnitt benötigten sie bei den drei Aufnahmeszenarien 10:22 Minuten Zeit. Das ist dreimal länger als der Amateurfotograf benötigte. Er wandte bei den drei Szenarien durchschnittlich 2:43 Minuten auf, um ein gutes Bild zu erzielen. Maximal liess er sich 3:30 Minuten Zeit.

 

Event-Fotografie: Aufnahme vom Amateur Will Painter (links) im Vergleich zu der vom Profi Duncan Soer (rechts)


Das gleiche Ergebnis zeichnete sich bei der Zeit ab, die sich die Fotografen für das eigentliche Bild nahmen, nachdem sie die beste Aufnahmeposition dafür gefunden hatten. Der Profifotograf nahm sich durchschnittlich 15 Sekunden mehr Zeit, um die interessantesten Elemente des Motivs zu identifizieren und einzufangen. Dies war bei der Event-Fotografie besonders wichtig.

Duncan Soar: »Das Entscheidende bei der Event-Fotografie ist, sicherzustellen, dass die Personen in den Aufnahmen interessant und lebendig wirken. Einen interessanten Bildausschnitt zu ermitteln, kann relativ einfach sein, aber einen ausdrucksvollen Moment einzufangen – z. B., wenn eine Person lacht –, kann eine Weile dauern. Ich muss normalerweise einige Zeit warten, um einen solchen Moment zu treffen.«

Duncan liess sich für die einzelnen Aufnahmen durchschnittlich 22 Sekunden mehr Zeit als der Amateurfotograf. Insgesamt benötigte er 3:20 Minuten bis zur finalen Aufnahme.

 

Machen Sie mehr Fotos: Profis ziehen für ein Motiv über dreimal mehr Aufnahmen in Betracht

Es passiert leicht, dass man sich in einer Aufnahmesituation nur auf einen Bereich konzentriert, von dem man denkt, dass er das beste Bild ermöglicht, und andere erstklassige Aufnahmemöglichkeiten übersieht. Bei allen drei Szenarien prüften die Profis beständig eine grössere Zahl unterschiedlicher Aufnahmemöglichkeiten als unser Amateurfotograf. Während letzterer acht potenzielle Aufnahmen in Erwägung zog, waren es beim Profifotografen 29. Das sind über als 3,5-mal mehr Optionen, um aus einem Motiv die beste Aufnahme zu machen.

Am auffälligsten war dieser Aspekt bei der Reisefotografie. Der Amateur erwog nur zwei verschiedene Szenarien, der Profi dagegen zwölf.

Reisefotografie:  gleicher Ort, komplett verschiedene Motive – links die Aufnahme vom Amateur Will Painter, rechts jene vom Profi Andreas Schmidt

 

Die Profis gingen ausserdem sehr überlegt vor und schenkten allen Elementen der Szenerie die erforderliche Aufmerksamkeit. Bevor der Amateurfotograf sich für die beste Aufnahme entschied, huschte sein Blick in der Aufnahmeszenerie umher, ohne dass er sorgfältig verschiedene Optionen in Betracht zog oder sich genügend Zeit nahm, um andere Blickwinkel auszuprobieren.

 

Betrachten Sie das Motiv aus jedem Winkel: Sehen Sie nach oben und unten

Einer der Punkte, in denen sich Amateur- und Profifotograf in diesem Experiment am deutlichsten unterschieden, war die Art und Weise, wie sie den Bildausschnitt wählten. Die Profifotografen prüften jede nur denkbare Aufnahmeposition – der Reisefotograf ging bei dem Motiv zum Beispiel hinter einige Strandhütten, um nachzusehen, ob dort etwas Interessantes einzufangen ist, während der Naturfotograf vom normalen Weg ins Gebüsch abbog, um die Umgebung auf eine ungewöhnlichere Weise zu betrachten. Der Event-Fotograf betrachtete sogar eine Zeit lang die Decke des Veranstaltungsorts, weil sie geschwungen war und er dachte, dass sie einen guten Rahmen für die Aufnahme bilden könnte.

 

Naturfotografie: Aufnahme vom Amateur Will Painter (links) gegenüber jener vom Profi Laurent Baheux (rechts)

 

Es ist auch wichtig, immer weiter zu schauen. Oft sieht man sofort zwei Bereiche, auf die man sich konzentrieren möchte, und ignoriert alles andere. Halten Sie auch auf dem Weg zwischen verschiedenen Szenerien den Blick nach oben und sehen Sie sich um – statt sich in dieser Zeit die Aufnahmen anzusehen, die Sie bereits gemacht haben. Während der gesamten Aufnahmen standen unsere Profis viel länger herum, suchten die Szenerie ab und sahen sich an, was ein tolles Bild ergeben würde. Der Amateurfotograf dagegen sah einfach in die Richtung, in die er ging, oder direkt auf das, was gemäss seiner Entscheidung sein nächstes Motiv sein würde.

Andreas Schmidt merkt an: »Wenn Sie sich Ihr Motiv wirklich genau ansehen und aus allen Blickwinkeln betrachten, entdecken Sie möglicherweise eine Aufnahmemöglichkeit, die einen interessanten Blick auf einen Teil Ihres Motivs eröffnet. Das ist besonders bei Aufnahmen von Alltagsszenen wichtig, weil die Fotos dadurch eigenständiger werden.«

Weniger ist mehr 

Bei ihren endgültigen Bildern konzentrierten sich die Profis allesamt auf einen bestimmten Teil der Szenerie, die sie aufnahmen. Der Amateur versuchte hingegen, die gesamte Szenerie in einem Bild einzufangen. Die Profis verbrachten dagegen mehr Zeit, um den interessantesten Aspekt zu ermitteln und zu prüfen, welches der beste Blickwinkel ist.

Machen Sie das Beste aus den Umständen

Die Profifotografen stellten sich schnell auf die Bedingungen jedes Szenarios ein und nutzten diese zu ihrem Vorteil. Der Reisefotograf kontrastierte die hellen Strandhütten mit den tristen Wetterbedingungen und lotete die Gegenüberstellung natürlicher und menschengemachter Strukturen aus. Er zog ausserdem verschiedene Kompositionen in Betracht, einschliesslich solchen mit Schirmen, weil sie ein ansonsten einfaches Bild um eine interessante Form ergänzten.

Laurent Baheux merkt an: »Egal, wo Sie fotografieren: Sie müssen die gesamte Umgebung berücksichtigen – nicht nur das Motiv auf Ihrem Foto, sondern auch beeinflussende Elemente wie das Umgebungslicht. Da ich immer Aussenaufnahmen mache, halte ich gerne nach vom Sonnenlicht bestrahlten Bäumen Ausschau. Das Licht hat eine wunderschöne Wirkung, wenn es von Seen und den Blättern reflektiert wird.«

Fazit des Amteurs

Der Amateurfotograf Will Painter äusserte sich zum Experiment: »Es war wirklich interessant, zu erkennen, dass meine Herangehensweise an eine Aufnahme sich so stark von der eines Profis unterscheidet. Der wissenschaftliche Ansatz lieferte mir wirklich nützliche Erkenntnisse über meine Vorgehensweise und über Verbesserungsmöglichkeiten. Einfache Tipps wie der Hinweis, sich mehr Zeit für die Aufnahmen zu nehmen und das gesamte vor einem liegende Szenario zu berücksichtigen, waren wirklich eine grosse Hilfe.«

 

 

Profi-Tipps für bessere Reise-, Natur- und Event-Fotos

 

Tipps zur Reisefotografie von Andreas Schmidt

Durch das Einbeziehen von Personen erhalten Aufnahmen zusätzlich einen menschlichen Aspekt. Wer ein Stativ dabei hat, sollte bei monumentalen Architekturaufnahmen sollten Sie die Belichtungszeit auf 1/8 oder 1/15 Sekunde einstellen, damit Menschen im Bild mit leichter Bewegungsunschärfe dargestellt werden.

Das Gegenüberstellen von menschengemachten Strukturen und natürlichen Formen macht die Komposition von Bildern interessanter.

Probieren Sie unterschiedliche Blickwinkel aus. Die Motive erhalten dadurch einen obskuren und ungewöhnlichen Charakter. Versuchen Sie z. B. Bilder vom Boden aus zu machen und blicken Sie von unten auf Ihr Motiv.

Die Nikon D3200 bietet Ihnen mit dem Spezialeffekte-Modus noch weitere kreative Möglichkeiten – vom Miniatureffekt bis zur selektiven Farbauswahl. Mit Filtereffekten wie der Anwendung eines warmen Filters oder Weichzeichners können Sie fertigen Bildern noch in der Kamera eine persönliche Note geben.

 

Tipps zur Naturfotografie von Laurent Baheux

Es geht nicht darum, alles in einem Bild unterzubringen; konzentrieren Sie sich auf einen kleinen Ausschnitt, z. B. einen Baum oder Wasserlauf, und machen Sie diesen zum Mittelpunkt Ihrer Aufnahme

Scheuen Sie sich nicht, näher heranzugehen – ein paar Schritte können den Unterschied zwischen einem guten und einem schlechten Foto ausmachen. Bei den Aufnahmen befand ich mich meistens tief im Unterholz, um genau die Aufnahme zu bekommen, die ich wollte.

Nutzen Sie die intelligenten Aufnahmefunktionen Ihrer Kamera. Das automatische Motiverkennungssystem der Nikon D3200 analysiert das Aufnahmemotiv genau und passt Fokus, Belichtung und Weissabgleich für optimale Resultate an.

 

Tipps zur Event-Fotografie von Duncan Soar

Der Gesichtsausdruck der Personen im Bild ist wichtig. Haben Sie Geduld, warten Sie und versuchen Sie zu erkennen, was die Personen zum Lachen oder Lächeln bringt.

Machen Sie viele Fotos, denn bei solchen Personenfotos haben Sie keine Kontrolle über Ihr Motiv.

Geben Sie Ihren Bildern Tiefe: Beschränken Sie sich nicht auf eine Gruppe von Personen, sondern denken Sie über deren räumlichen Bezug zu anderen Gruppen in der Aufnahme nach.

Scheuen Sie sich nicht, wenn möglich Personen zu »dirigieren«, um den gewünschten Bildausschnitt zu erhalten.

Nachdem Sie Ihr Motiv gefunden haben, sollten Sie versuchen, aus jedem Blickwinkel Fotos zu machen. Sie können sogar mit 360-Grad-Ansichten des Motivs experimentieren, um sicherzustellen, dass Sie die Aufnahme vom optimalen Standort aus aufnehmen

 

2 Kommentare zu “Wer hat das bessere Auge? – Experiment mit Blickregistrierung bei Fotografen”

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