Urs Tillmanns, 3. Januar 2022, 16:46 Uhr

Sabine Weiss ist nicht mehr

Sie galt als eine der wichtigsten Vertreterinnen der humanistischen Fotografie, zusammen mit Robert Doisneau, Willy Ronis oder Edouard Boubat, welche die gleiche Stilrichtung pflegten. Doch Sabine Weiss widerspricht: «Ich habe nie daran gedacht, humanistische Fotografie zu machen. Ein gutes Foto muss berühren, gut komponiert und schlicht sein. Die Sensibilität der Menschen muss in die Augen springen», sagte sie in «La Croix L’Hebdo» anlässlich einer grossen Retrospektive. Jetzt ist Sabine Weiss im Alter von 97 Jahre für immer verstummt, am 28. Dezember 2021 in ihrer Wohnung in Paris.

 

Sabine Weiss 2014 anlässlich ihrer Ausstellung im Bellpark, Kriens (Foto: Urs Tillmanns / Fotointern)

Sabine Weiss (geb. Weber) wurde am 23. Juli 1924 im Schweiz-französischen Grenzdorf Saint-Gingolph am Genfersee geborenen und absolvierte von 1942 bis 1945 – damals unüblich für eine junge Frau – eine Fotografenlehre bei Paul Boissonnas in Genf. Im Jahr danach zog es sie nach Paris, wo sie zunächst als Assistentin beim Modefotografen Willy Maywald tätig war. Drei Jahre danach realisierte sie ihren eigenen Plan, als freischaffende Fotojournalistin zu arbeiten, was ihr schon bald Aufträge für namhafte Magazine wie «Vogue», «Time», «Life», «Esquire», «Paris Match» und anderen einbrachte. 1950 heiratete sie den amerikanischen Kunstmaler Hugh Weiss und arbeitete von 1953 bis 1961 vorwiegend für «Vogue» als Modefotografin und Fotoreporterin. Berühmt wurde sie auch durch ihre Porträts von Prominenten, wie Ella Fitzgerald, Françoise Sagan, Jeanne Moreau, Alberto Giacometti oder André Breton. Beeindruckend sind vor allem ihre spontanen Bilder von Kindern in der Banlieue von Paris, wo ihr in den 1950er- und 1960er-Jahre besonders einfühlsame Bilder menschlicher Beziehungen und Alltagsszenen mit einer starken Licht- und Schattenwirkung gelangen.

 

Die Highlights aus Sabine Weiss‘ Schaffen zeigen Strassenszenen und eindrucksvolle Porträts (Archiv Sabine Weiss, ZVG)

«Ich fotografiere, um in einem Bild zu bewahren, was im nächsten Moment vergangen sein wird: Gesten, Haltungen und Objekte, die Zeugen unserer Reise sind» sagte Sabine Weiss anlässlich der ihrer grossen Ausstellung des «Jeu de Paume», Paris, die 2016 auch den Weg ins Bellpark in Kriens fand (siehe Artikel). Die Ausstellung zeigte einen repräsentativen Querschnitt des fotografischen Schaffens von Sabine Weiss mit reichlich audiovisuellem Material sowie vielen Originaldokumenten aus ihrem persönlichen Archiv.

Sabine Weiss hat ihre Bilder in mehr als 170 Einzelausstellungen über 80 Gruppenausstellungen präsentiert. Ihr Gesamtwerk besteht aus mehr als 200’000 Negativen, 7000 Kontaktabzügen und rund 2700 Vintage-Prints. 2017 hat Sabine Weiss ihren Nachlass dem Photo Elysée in Lausanne vermacht.

Urs Tillmanns

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«Mit Sabine Weiss im Gespräch» Fotointern 20. November 2016

«Live aus Paris: Der ‘Salon de la Photo’ zeigt Neues und bestätigt Trends», Fotointern 14. November 2014

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