Urs Tillmanns, 21. April 2015, 10:00 Uhr

Canon EOS 5DS – wird 2015 das Jahr der grossen Megapixel-Kameras?

Montag, 20. April 2015, 21 Uhr: Ich sitze im IC von Bern zurück nach Hause. Canon hat zur Präsentation der neuen EOS 5DS und 5DSR nach Bern eingeladen, und ich wollte mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, die neuen Pixelboliden erstmals zu beschnuppern. Hier erste Eindrücke und Gedanken nach der Präsentation.

 

Ein Kränzchen für die Kamerahersteller

Zuerst möchte ich einmal allen Kamera-, Objektiv- und Zubehörherstellern ein Kränzchen winden. Ich fange gar nicht an, sie aufzuzählen, denn sicher würde ich die eine oder andere wichtige Marke vergessen. Ihnen allen gemeinsam ist, dass sie unablässig bemüht sind, uns bessere Kameras, Objektive und besseres Zubehör fürs Fotografieren anzubieten. Sie tun das natürlich nicht ganz uneigennützig ;-), aber Tatsache ist, dass wir Anwender – egal ob Profi oder Amateur – immer besseres Equipment, oft sogar für gleich viel oder weniger Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Für die Profis ist das insofern eine Herausforderung, als dass auch für engagierte Amateure plötzlich Kamerausrüstungen erschwinglich werden, die vorher vom Preis her dem Segment der Berufsfotografen vorbehalten waren.

Canon 5ds Bern

Wird 2015 das Jahr der grossen Megapixel-Kameras?

Eröffnet hat die «Megapixel-Jagd» meines Wissens Nikon mit der Vorstellung der D800 im Februar 2012. Die Kamera hat damals eingeschlagen wie eine Bombe. Die hohen Megapixel-Zahlen waren bisher die alleinigen Jagdgründe der Mittelformat-Hersteller, doch nun drängte plötzlich ein DSLR-Hersteller in diese Gefilde vor. Mit der D810 hat Nikon letzten Sommer bereits das Nachfolgemodell der D800 vorgestellt. Zwischenzeitlich hat Sony mit der A7R sogar die spiegellosen Kameras in dieses Segment gehievt (notabene mit demselben Sensor wie die D810). Nun zieht Canon – die Freunde der Marke der japanischen Göttin der Barmherzigkeit haben schon lange darauf gewartet – mit der EOS 5DS und 5DSR nach und meldet sich mit den zwei neuen 5er-Modellen auch im Pixelolymp an. Wenn man der Gerüchteküche glauben darf, arbeitet Sony an einem 46 Megapixel-Sensor, der dann auch in Nikon-Bodys Einzug finden dürfte, und so könnte es sein, dass die drei «grossen» Marken bis Ende Jahr alle in der 50-Megapixel-Liga mitspielen.

Canon EOS5DS

 

Erste Erfahrungen – zwei Fotografen berichten

Die beiden Schweizer Fotografen Regis Colombo und Alexander Sauer haben ein Vorserienmodell der 5DS zum Testen bekommen und erzählen von ihren Erfahrungen. Während Regis Colombo den Sprung von der 5D MkII zur 5DS vollzog, hat Alexander Sauer als Mittelformatfotograf sich pixelmässig nicht umgewöhnen müssen, konnte aber mit einem deutlich kleineren Gehäuse arbeiten. Wie sind ihre ersten Eindrücke?

«Die 5DS geht in Richtung grosse Daten, Richtung Mittelformat» sagt Alexander Sauer. Er hat die Kamera für ein Shooting in Kanada eingesetzt. Sowohl er wie auch Regis Colombo konnten die Kamera erst im JPG-Modus verwenden, da die RAW-Konverter für Photoshop und Lightroom noch nicht verfügbar sind. Dementsprechend haben beide betont, dass die ersten Ergebnisse eine Art Zwischenfazit sind, denn das volle Potenzial der Files wird sich erst zeigen, wenn man die RAW-Daten beurteilen kann.

Alexander Sauer hat sehr eindrückliche Aufnahmen von seinem Shooting gezeigt. Sein erster Eindruck ist, dass die neuen 50-Megapixel-Kameras von Canon den Qualitätsunterschied zum Mittelformat verkleinern. Für einen ausführlichen Test fehlte einerseits die Zeit und andererseits – wie bereits erwähnt – die Möglichkeit, RAW-Files zu entwickeln. Das kleinere Gehäuse erlaubt dem Fotografen natürlich ein freieres Arbeiten als mit Mittelformat-Equipment, doch nur wenn man sehr sorgfältig fotografiert, wird man mit super Aufnahmen belohnt. Als Mittelformat-Fotograf ist man es sich gewohnt, mit Stativ zu arbeiten und wenn immer möglich im Liveview-Modus (mit vorausgelöstem Spiegel) zu belichten. Hier müssen DSLR-Fotografen unter Umständen umdenken, wenn sie das volle Potenzial dieser neuen Kameras ausschöpfen müssen.

Ganz ähnlich hat Regis Colombo seine ersten Erfahrungen geschildert. Von der 5D MkII her kommend, war er in jeder Hinsicht von der Fülle der Daten überwältigt. Es ist ein Qualitätssprung, aber plötzlich reichen die Speicherkarten nicht mehr, der Rechner ist überfordert, und noch ein weiterer Punkt wurde von Regis Colombo herausgestrichen: «Die Kamera ist so präzise, dass die Objektive nachziehen müssen» ist Regis Colombo überzeugt.

Canon 5ds Bern

Eine 5DS oder 5DSR mit einem älteren Objektiv – das ist in etwa wie ein Ferrari-Motor in einem VW-Golf-Chassis: Wer sich eine dieser neuen Kameras bestellt und seine betagte Linse draufschraubt, wird von den Resultaten nicht besonders angetan sein, denn die Bilder werden nicht viel besser werden als mit den aktuellen EOS-Vollformatsensor-Modellen. Canon hat – wie übrigens auch Nikon – diverse Objektive neu aufgelegt, sehr zum Ärger des einen oder anderen Fotografen, der sich ein Objektiv gekauft hat und ein Jahr später feststellen muss, dass bereits ein Nachfolge-Objektiv von seiner Linse angeboten wird. Das ist sicherlich nicht angenehm, doch die Entwicklung im Sensorbereich verlangt nach neuen Objektiven, damit man die höhere Auflösung wirklich in den Kasten bringt.

Wer wirklich wissen will, welche Auflösung die Objektive auf den Sensor bringen, besucht www.dxomark.com. Dort kann man eruieren, wo das Potenzial der verschiedenen Linsen liegt. Die Werte der Canon-Objektive kennt man noch nicht, da bis jetzt ja bekanntlich bei Canon bei 21 Megapixeln Schluss war. Ich bin gespannt auf die Testresultate von DXO Mark und bin sicher, dass die besten Canon-Objektive deutlich mehr als 21 Megapixel bringen werden, doch sie werden kaum die ganzen 50 Megapixel auflösen können. Natürlich kauft man ein Objektiv nicht nur wegen seiner Auflösung, sondern auch wegen seinem Abbilungscharakter – Schärfe-/Unschärfespiel, Farbcharakteristik und Bokeh sind hier einige wichtige Stichworte. Doch natürlich macht eine 50 Megapixel-Kamera nur Sinn, wenn auch die Objektive annähernd so viel auflösen. Und damit sind wir bei der nächsten Frage:

 

Für wen ist die Canon EOS 5DS und 5DSR die richtige Kamera?

Wenn man am ISO-Empfindlichkeitsrad dieser Kameras dreht, ist bei 6400 ISO Schluss. Man könnte mit einer Erweiterung noch bis auf 12800 ISO gehen, doch das Signal ist klar: Diese Kameras sind nicht für den Reportagebereich mit Low-Light gedacht. Notabene benötig man in diesem Bereich auch selten 50 Megapixel-Files. Natur-, People- und Studiofotografen – um einmal drei grosse Gruppen zu nennen – werden aber diese Kameras sicher sehr gerne und sehr gut einsetzen können. Der Gewinn an Details und die Möglichkeit, Bilder in neuen Dimensionen zu printen, ist nicht wegzudiskutieren.

Canon 5ds Bern_02_1000

 

Zurück zum Analog-Feeling in der Fotografie?

Canon hat einiges unternommen, um die Erschütterungen beim Fotografieren mit den neuen Kameras zu vermindern. So wurde ein neuer Mechanismus konstruiert, um den Spiegel vor der effektiven Belichtung des Bildes abzubremsen. Dies, um Unschärfen durch die Spiegelerschütterung zu minimieren. Ebenso wurde die Bodenplatte der Kamera verstärkt, um eine vibrationsärmere Verbindung zum Stativ zu ermöglichen. Alles in allem sind sich die Leute von Canon einig, dass man sehr viel sorgfältiger als bisher arbeiten muss, um das Potenzial von 50 Megapixeln ausschöpfen zu können.

Canon EOS 5DsR Front

Aus meiner Erfahrung mit der Hasselblad H5D 50C und der Nikon D810 kann ich diese Ansicht nur unterstützen. Und obwohl die Zoomobjektive in den letzten Jahren permanent an Qualität gewonnen haben, werden die Festbrennweiten meines Erachtens im Zusammenhang mit diesen neuen Kameras eine Renaissance erleben. Dies aus zwei Gründen: Trotz allen Fortschritten im Objektivbau sind die neuesten Festbrennweiten einen Tick besser als ihre flexibelbrennweitigen Kollegen. Wer also wirklich das letzte Quäntchen aus den 50 Megapixeln herauskitzeln will, wird sich einige Festbrennweiten zulegen. Zweitens wird der ganze Aufnahmeprozess entschleunigt, weil man wie bereits erwähnt wenn immer möglich ab Stativ arbeiten sollte. Dadurch wird das zweitwichtigste Zubehör des Fotografen – seine Füsse – wieder zu neuen Ehren kommen. Denn bevor man sich die Mühe macht, sein Stativ aufzustellen, wird man verschiedene Aufnahmepositionen ausprobieren. Nichts ist ärgerlicher, wie wenn man mühsam das Stativ aufstellt, auslöst und danach feststellen muss, dass man ein paar Meter weiter rechts oder links eine bessere Perspektive bekommen hätte. Also: Erst gehen, dann fotografieren. Und wenn man schon mal in Bewegung ist, braucht man auch nicht unbedingt das Zoom, das ein wenig zur Gehfäule verleitet, sondern man kann durchaus im Prozess des Gehens auch austesten, von welcher Position aus man mit der gewählten Festbrennweite das beste Bildresultat erzielen kann.

 

Ein erstes Fazit

Da noch keine RAW-Files der Kameras zur Verfügung stehen, kann noch kein Urteil im Vergleich zu den Mittelformatkameras und zur Nikon D810 gezogen werden. Denn man kann es drehen und wenden wie man will: In diese Phalanx bricht Canon mit den neuen 5er-Modellen ein, und daran werden sie gemessen werden. Alle diese Kameras sind übrigens nicht in der Lage, in 4K zu filmen. Schliesst sich hohe Fotoauflösung und 4K tatsächlich aus? Fast könnte man zu diesem Schluss kommen – hätte da nicht Leica angekündigt, das neue S-Modell, das diesen Sommer herauskommen soll, könne 4K filmen. Die Kamera hat zwar «nur» einen 38 Megapixel-Sensor, doch wenn damit 4K möglich ist, sollte es doch eigentlich auch mit den Kameras von Canon, Nikon und Sony funktionieren. Wohl nur die Hersteller selbst wissen, ob sie tatsächlich noch nicht in der Lage sind, 4K in ihre Topmodelle einzubauen, oder ob marketingtechnische Überlegungen dahinter stehen, dass «nur» Full-HD geht.

So oder so – die neue 5er-Generation bedeutet für Canon-Fotografen mit hohem Pixelbedarf einen Sprung nach vorn. Und ich bin optimistisch, dass viele Fotografen durch die hohe Auflösung (wieder) anfangen werden, sorfältig(er) zu arbeiten. Das ist aus meiner Sicht ebenfalls ein Gewinn, denn wie viel befriedigender ist es, am Ende des Tages mit einem hervorragenden Bild anstelle von zehn sehr guten oder hundert durchschnittlichen da zu stehen.

Auch deshalb kann man den Kameraherstellern nur gratulieren, dass sie uns immer besseres Equipment zur Verfügung stellen …

Peter Schäublin, Grafiker, Fotograf, Texter
Stimmungsfotos: Peter Schäublin

 

PS: Ich hoffe, dass wir für unsere Leser in der zweiten Jahreshälfte einen Test der neuen 5er-Kameras präsentieren können, in dem wir über die RAW-Files ausloten, wie viel Qualität im Vergleich zu den CMOS-Mitbewerbern in diesem Segment möglich ist. Dabei geht es um Auflösung, Dynamikumfang, Farbsättigung und –differenzierung sowie das Rauschverhalten. Die Quadratur des Kreises – sprich Bestwerte in allen diesen Kriterien – hat noch keiner hingekriegt. Doch wer schafft den Spagat am besten? Das wäre sicher für alle Fotointern.ch-Leser sehr interessant.

 

 

7 Kommentare zu “Canon EOS 5DS – wird 2015 das Jahr der grossen Megapixel-Kameras?”

  1. Canon 5 DS = Alter Crop-Sensor (Technologie von 2007) erweitert um ein paar Pixel
    Canon 5 DS = Extrem beschnittene Video-Funktionen
    Canon 5 DS = Keine „Dual-ISO“-Funktionalität für einen erweiterten Dynamikumfang.

    Ich ärgere mich grün und blau über Canon und seine seit Jahren andauernde Politik, ihre Kameras künstlich zu beschneiden, damit ja nicht teureren Modellen der Markt abgegraben wird. Jetzt wird dann wieder gesagt, dass Canon uns/mir nichts schuldig ist. DOCH: Ich habe tausende von Euros in einen Objektiv-Park investiert und mich in das Canon-Ökosystem eingekauft. Immerhin kann man die Canon-Objektive mit Adaptern noch an weiteren Kamera-Marken verwenden. Wenn Canon so protektiv weiter macht, dann wechsle ich die Marke bevor Canon dort endet wo Kodak nun ist… Von so einer Produkte-Politik bin ich einfach nur masslos enttäuscht.

    1. Hallo Franziska auch ich als angerfessener Amateur habe mich schon über diese Bevormundung geärgert und mit einem Markenwechsel geliebäugelt. Doch seit ich mit MAGIC LANTERN arbeite haben mich so einige Möglichkeiten (Dual-Iso, HDR-Bracketing bis 11 Bilder, Timelaps, Focusstacking uvm.) Resultate besänftigt. Ich denke diesen kreativen Köpfen wird auch in Zukunft noch einiges einfallen, was die Canon-Fotografie zum Erlebnis macht.

      Munter bleiben;-)

  2. Die beiden neuen Pixelboliden von Canon haben in Kombination mit den entsprechenden hochwertigen Objektiven eine sehr gute Auflösung bei 100 ISO. Die Schwäche der Canon-Sensoren ist und bleibt jedoch der geringe Dynamikumfang. Entsprechendes kann man hier nachlesen:

    http://petapixel.com/2015/07/08/5ds-handed-highest-dxomark-score-for-a-canon-but-still-trails-nikon-and-sony/

    Ein aufschlussreicher Vergleich von verschiedenen Objektiven an den beiden neuen Pixelboliden von Canon findet man hier:

    http://www.lensrentals.com/blog/2015/06/canon-5ds-and-5ds-r-initial-resolution-tests#more-22841

    1. Mit mehr als 30 Jahren Erfahrung kann ich Ihnen nicht zustimmen – ein geringer Dynamikumfang ist nur dann von Nöten falls man falsch belichtet. Ein guter Fotograph braucht faktisch kein Post-Processing. Die Anforderungen an gute Objektive sind bei der 5DS nicht grösser als bei jeder APS-C Kamera mit 20MP – die Pixeldichte ist de-facto identisch. Jedes Objektiv welches bei einer 7D, 70D zu scharfen Bildern führt ist auch mit einer 5Ds brauchbar. In diversen postings ist ebenfalls zu lesen das man für eine 5DS ein Tripod braucht – dies ist ebenfalls nicht korrekt da die Empfindlichkeit auch in dieser Hinsicht identisch mit einer 7D oder 70D ist.

      1. @ Christoph: Dass Sie seit über 30 Jahren fotografieren und daran grosse Freude haben, ist doch wunderbar. Genau so wunderbar ist es, wenn Ihnen der Dynamikumfang Ihrer Canon für Ihre Motive und Ihre Praxis genügt und Sie offenbar als guter Fotograf „faktisch kein Post-Processing brauchen“.

        Machen Sie sich keine Sorgen um die Technik. Gehen lieber raus, um zu fotografieren.

  3. Und bevor ich in teure Kamera investiere, steig ich wieder auf Analog um. Dort kann ich die Filme sensibilisieren, Vorbelichten um Konstrastumfang zu erweitern rsp Kontrast massiv zu reduzieren inkl. erhöhter Empfindlichkeit. Der Rest macht die Software. Das Qualitäts-Theater bei Superweitwinkel-Aufnahmen wird mit Rotapankameras gelöst. Ja, für gewisse Aufgaben bleibt digital das Mass aller Dinge.

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