Urs Tillmanns, 6. November 2020, 12:38 Uhr

NWS Instruments AG: Kickstarter für die Schweizer APO-Objektive

Über die in der Schweiz hergestellten Objektive, ein APO Weitwinkelobjektiv mit 23 mm Brennweite und Lichtstärke 1:3,5 sowie das APO Teleobjektiv mit 110 mm Brennweite und Anfangsöffnung 1:3,2, hatte Fotointern bereits ausführlich berichtet. Nun sind die beiden Objektive zur Serienreife entwickelt worden und stehen vor Produktionsbeginn.

Zur Finanzierung läuft vom 8. November bis 15. Dezember 2020 eine Kickstarter-Aktion, welche Frühbestellern interessante Konditionen garantiert. Auf der Kickstarter-Projektseite werden Bilder von professionellen Fotografen vorgestellt, die mit den von der NWS Instruments AG hergestellten Prototypen der APO-Objektive mit 23 mm und 110 mm Brennweite aufgenommen wurden, sowie eine Videotour durch das Werk, in welchem die Objektive hergestellt werden.

Drei Besonderheiten der NWS-Objektive: Ein grosser Adapter von Fotodiox, der für alle Kamerasysteme angeboten werden soll, die PSF-Skala, welche zur verwendeten Blende den Beugungsfehler angibt und die Dosenlibelle beim APO 23 mm zur präzisen Ausrichtung des Objektivs.

Fotointern hatte kürzlich Gelegenheit die beiden Objektive zu begutachten, um einiges über deren Besonderheiten zu erfahren. Die beiden Objektive sind mit besonders grossen Bildkreisen darauf ausgelegt, dass sie an allen mit ihren grossen Auflagemass von 74,9 mm und entsprechenden Adaptern von Fotodiox.com an allen Kamerasystemen, von Micro-Four-Thirds-, über APS-C-, Vollformat- und 33×44 mm -Sensoren bis hin zu analogen 6×4,5 cm Kameras eingesetzt werden können.

Aufgrund des MTF50-Ratings von 120 Linienpaaren/mm ist das Auflösungspotenzial dieser Objektive auf die aktuellen digitalen 40+ Megapixel-Kameras und Rückteile ausgelegt. In beiden Objektivmodellen wurde die chromatische Aberration auf unter 10 µm, entsprechend zwei Pixeln eines 50 Mp-Sensors, reduziert.

Links das 23mm APO-Objektiv mit Lichtstärke 1:3,5 und rechts das APO Teleobjektiv mit 110 mm Brennweite und Anfangsöffnung 1:3,2

 

Hier die Besonderheiten der NWS APO-Objektive:

● Die relativ grossen Bildkreise der Objektive – 70 mm beim 23APO und 55 mm beim 110APO – wurden spezifiziert, um Micro-Four-Thirds-, APS-C-, Vollformat- und 33×44-Sensoren sowie 6×4,5-Filme mit einem grossen Bewegungsspielraum für Perspektiven- und Schärfenkontrolle abzudecken. Beim 23APO beträgt die maximale lineare Verzeichnung 4,8 %, beim 110APO liegt sie bei 0,8 %.

● Die Irisblende besitzt 15 Lamellen. Auf deren Einstellring kommt eine Doppelskala zum Einsatz: zur üblichen Blendenzahl wird die jeweilige Breite der Punktverteilungsfunktion (PSF) in Mikrometern (µm) mit angegeben. Die PSF setzt sich aus (unvermeidbarer) Beugungsunschärfe und optischen Restaberrationen zusammen: je geringer der PSF-Durchmesser, desto höher ist die optische Auflösung.

● Damit die Objektive mit möglichst vielen Kamerasystemen einsetzbar sind, wurden sie mit Hasselblad-V-kompatiblen Objektivbajonetten mit einem Auflagemass von 74,9 mm versehen. So können sie mithilfe von handelsüblichen Adaptern an nahezu jeder Kamera genutzt werden. Zu beachten ist, dass diese Objektive aufgrund baulicher Inkompatibilitäten nicht für den Einsatz in Hasselblad-V-Kameras geeignet sind.

● Das APO 23 mm ist mit einer zertifizierten Dosenlibelle ausgestattet, welche die eine Nivellierung des Objektivs ermöglicht.

● Ein optionaler, noch in Planung befindlicher mechanischer Shift-Adapter stellt die Kompatibilität der Objektive für Kameras mit Canon EF- und Nikon F-Anschlüssen sicher. Der Adapter lässt sich seitlich um +12 mm verschieben und über gefederte Arretierungen (45° Schritte) stufenlos um 360° ab dem oberen Referenzpunkt um die optische Achse drehen.

● Die Fokuseinstellung erfolgt bei beiden Objektiven manuell. Der Fokusring des APO 23 lässt sich um 90° drehen, für einen Minimalobjektabstand von 25 cm, der des APO 110 um 270° für ein Minimum von 40 cm. Das APO 110 mm bietet eine zusätzliche Drehmomentkontrolle der Fokuseinstellung, die von einem sehr geringen Widerstand für extrem schnelle Fokussierung bis hin zur vollständigen Fixierung zur Vermeidung von «Fokuskriechen» reicht. Im inneren Objektivtubus ist dazu ein Bremsmechanismus integriert, der stufenweise über einen Drehknopf geregelt wird.

● Um die Produktqualität zu dokumentieren, liefert NWS Instruments zu jedem in Serienproduktion gefertigten Objektiv ein Messprotokoll, das mit einem modernen, hochauflösenden Messgerät erstellt wurde. Die Ergebnisse dienen als Nachweis, dass das getestete Objektiv die Spezifikationen gemäss Datenblatt mit einer Toleranz von ±10 % erfüllt.

 

Das «Akrobat Modular Instrument Positioning System»

Ausser den beiden Objektiven, und weitere, die sich in Planung befinden sollen, bringt NWS Instruments AG ein präzises Einstellsystem, das –  ähnlich einer verstellbaren Fachkamera mit einem modulares 4-Achsen-Positioniersystem einen eigentlichen Kamerateil darstellt. Es bietet als kompaktes, robustes System optische Korrektureinstellungen und Bewegungen der Standarten, die sich einfach und sicher bewerkstelligen lassen und  wiederholbar sind.

Herz des Akrobat Systems ist der von NWS entwickelte 4-Achsen-Kopf, welcher alle Bewegungen wie Neigung, Höhenverstellung, seitliche Bewegung und Schwenken am Kopf zulässt. Das System verfügt über separate Arretierungen für jedes Bewegungspaar: Neigung und Höhenverstellung werden mit einem Hebel und seitliche Bewegung/Schwenken mit einem weiteren Hebel arretiert. Jede Achse ist zwecks Wiederholbarkeit mit einer eingravierten Skalierung versehen, und Mittenarretierungen für jede Achse ermöglichen eine schnelle und präzise Einstellung. Optional können traditionelle Objektive für Grossformatkameras mit Compur-/Copal-Verschlüssen des Typs Nr. 0 oder Nr. 1 über von NWS konstruierte Adapter genutzt werden.

Für die rückwärtige Standarte sind verschiedene Optionen erhältlich: ein DSLR-Rahmen für Canon EF- oder Nikon F-Kameras, der sich bequem im Quer- oder Hochformat arretieren lässt, ein Hasselblad-V-kompatibler Rahmen, der zu den entsprechenden Filmmagazinen oder digitalen Rückteilen passt, und eine mit dem Sinar p/p2-Mehrzweck-Standarte-kompatible Verlängerung, mit der sich die zahlreichen 4×5-Zubehörmöglichkeiten nutzen lassen, einschliesslich der 6x12cm, 6x17cm -Panorama- und Sofortbildfilme.

Der Zeitpunkt der Markteinführung des Akrobat-Systems, ebenso wie sein Preis, stehen noch nicht fest.

 

NWS Objektive «Made in Switzerland»

Die NWS Instruments AG hat ihren juristischen Sitz in Lenzburg und produziert in Zusammenarbeit mit einer Firma in der Nordwestschweiz (deshalb der Name NWS), deren Name aus vertraglichen Gründen nicht bekannt gegeben wird. Längerfristig ist geplant, dass das Unternehmen in Lenzburg von eigenen Räumen aus operiert.

Die Leitung des Unternehmens obliegt den drei Gründern (v.l.n.r.)

Steven K. Lee, Gründer und CEO, der nach leitenden Positionen bei IBM und Best Buy in Amerika von 2006 bis 2008 CEO der Leica Camera AG in Solms war.

Dr. Bernhard Michel, Mitbegründer und Optikingenieur, sowie Gründer und CEO der Hembach Photonik GmbH, Rednitzhembach, Deutschland, welche optische Spezialprodukte für den Industrie-, den Auto-, den Weltraum- und den Medizinbereich produziert.

Dr. Christoph Horneber, Mitbegründer und Optikkonstrukteur, der bei Leica Camera AG unter anderem das Noctilux-M 1:0,95/50mm ASPH und das Tri-Elmar-M 1:4/16-18-21mm ASPH konstruierte. Er war nach 2008 bei der RUAG Space AG in Zürich tätig und heute bei Hembach Photonik GmbH in Deutschland.

 

Weitere Informationen finden Sie auf der Website www.nws-instruments.ch/

 

5 Kommentare zu “NWS Instruments AG: Kickstarter für die Schweizer APO-Objektive”

  1. Sehr interessante Konstruktionen. Die Skala, welche Beugungsfehler anzeigt, bezieht sich wohl auf das KB-Format. Man sollte beachten, dass Beugungsfehler bei KB ab Bl.8, bei 4/3 jedoch schon ab Bl.4, aber bei grossen Formaten erst weit später sichtbar werden.

  2. Interessante Idee aus dem grossen Kanton. Der Sitz ist an der Bahnhofstrasse in Aarau. Allerdings wird ein Fotogeschäft von Matthias Becker in Lenzburg als Produktion angegeben. Das ist jedoch ein Rechtsanwalt mit seinem Sitz an dieser Adresse. Wohl eine Idee von Hembach Photonik in Deutschland. Der ofizielle Link funktioniert nicht mehr. Als AG wird die „Niederlenzerstr. 10 Null“ (sic!) angegeben. Eingetragen ist die AG lediglich am Sitz des Rechtanwalts-Büros „c/o Matthias Becker“ mit einem Kapital von 200.000 CHF. Also ein Briefkasten-Firma.
    Nachdem die Kickstarter-Aktion vor 2 Jahren ausgelaufen ist, wäre interessant, was mit dem Geld passiert ist und ob da wirklich in der Schweiz jemals Objektive gefertigt wurden. Oder sollte der Schweizer Sitz lediglich Seriosität suggerieren?

  3. NWS gab verschiene Internet-Links wie NWS-instruments oder nwsinstruments mit den Endungen com und ch an. Zusätzlich mit Anhängen wie Team etc. Keine dieser Adressen funktioniert noch.
    Zwei Jahre nach Ablauf der Kickstarter-Aktion und mit Sitz in einem Anwalts-Büro zumindest seltsam.

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