Gastautor/-in, 2. Februar 2023, 16:00 Uhr

Auf den Spuren des «heiligen Waldkaffees» in Äthiopien (1)

Auf der Halbinsel «Zege» in Äthiopien wächst eine besondere Kaffeeart, zu der Kaffeespezialist Patrik Hosennen und Fotograf Christian H. Hildebrand unterwegs sind. Was sie in diesem ungewöhnlichen Land erleben und was es mit dem Waldkaffee auf sich hat, schildern wir hier in einer Artikelfolge.

Röstmeister Patrik Hosennen möchte wissen, wo seine Bohnen herkommen. Der Waldkaffee von der Halbinsel Zege am riesigen Tanasee ist eine Spezialität, auf welche Patrik besonders stolz ist – aber sie gibt immer mehr Rätsel auf, je länger er sich mit dieser Kaffeesorte befasste. Deshalb reist er zusammen mit dem Fotografen Christian H. Hildebrand nach Äthiopien, um alle notwendigen Produktefragen vor Ort zu klären und um mehr über das wichtigste Exportgut des Landes zu erfahren.

 

Patrik Hosennen ist Kaffee-Experte und führt seine eigene Rösterei in Gersau

Seit Urzeiten wächst im Norden vom Äthiopien rund um den Tanasee Kaffee. Dennoch gehört diese Region nicht zu den klassischen Erzeugerregionen Äthiopiens. Ursprünglich war der Kaffee des Seegebietes ein typischer Waldkaffee, aber aufgrund des Holzschlags der letzten Jahrzehnte ist dieser historische Kaffee rund um den Tanasee fast verschwunden. Die einzige Ausnahme ist die Halbinsel Zege. Hier gibt es noch den grössten zusammenhängenden Wald, in deren Schattenbäumen der Kaffee immer noch in seiner ursprünglichen Form gedeiht.

 

Hier werden verschiedene Mischungen hergestellt, eine davon ist der «heilige Waldkaffee» aus Äthiopien

Laut Überlieferungen liegt dies an seiner einzigartigen «heiligen» Herkunft. Der Mönch «Betre Maryam» soll einst seinen Priesterstab in drei Teile gebrochen haben. Aus dem Kopf entsprangen die ersten Kaffeepflanzen, was in einem Wandgemälde in einem der sieben Klöster auf Zege verewigt ist. Darüber hinaus gibt es ein altes Buch, in dem dieses Ereignis beschrieben wird. Aus diesen historischen und religiösen Gründen gibt es auch heute noch keine Landbewirtschaftung im herkömmlichen Sinne, sondern der «heilige Kaffee» schützt den Wald und der Wald den «heiligen Kaffee». Mit der Reise zu den koptischen Klöstern möchte Patrik versuchen, in Begegnung und Gespräch mit Zeitzeugen dieser Legende um die Herkunft des einzigartigen Zege Waldkaffees auf die Spur zu kommen.

 

Addis Abeba – das perfekte Chaos

In der Hauptstadt Äthiopiens, auf fast 2500 Meter über Meer, bringt uns nicht nur die dünnere Luft ausser Atem, sondern auch das unerwartete sympathische Chaos, welches ganz eigenen Gesetzen folgt. Unsere Freunde und Begleiter der nächsten zwei Wochen empfehlen uns als Einstieg in den afrikanischen Rhythmus den Mercato von Addis Abeba zu besuchen.

Esel sind hier die wichtigsten Helfer und bestimmen weitherum das Strassenbild

 

Auf dem Mercato werden auch die sozialen Kontakte eifrig und stundenlang gepflegt

Je weiter wir in den Mercato eindringen, desto spannender wird es.

 

Frage: Wie transportiert man 23 Matratzen am effizientesten?

 

Diebstahl ist hier kaum lohnend – es sei denn, man gibt sich mit nur einem Schuh zufrieden

 

Not macht erfinderisch – doch nur ein Genie behält hier die Übersicht

 

Sich mit dem Lieferwagen durch den Mercato zu bahnen erfordert viel Geschick – und vor allem Geduld

Zum Transport aller Güter dienen nicht nur Hände, Kopf und Füsse, sondern es drängen sich, trotz aller Enge, auch noch alle möglichen und eher unmöglichen motorisierte Transportmittel durch die Menschenmassen.

 

Eine perfekt befestigte Ladung ist das A und O für einen sicheren Transport

 

Auch Addis Abeba dehnt sich in die Höhe aus. Eine SUVA scheint es hier nicht zu geben …

… und auch die Elektroinstallationen werden kaum je von jemandem geprüft

Rohstoffe sind in Äthiopien ein rares Gut und entsprechend teuer. Insbesondere Metalle, Kunststoffe und generell Baustoffe werden deshalb hier sehr konsequent wiederverwertet. So werden Armierungseisen beispielsweise geputzt und wieder begradigt. Alles wird danach fein säuberlich dem Verwendungszweck entsprechend aufgestapelt.

 

In mühsamer Handarbeit werden alte Armierungseisen geradegebogen, gesäubert und wiederverwendet

 

Entsorgung kennt man hier kaum. Alles findet wieder eine zweite Verwendung …

… und wird wieder als «fast neu» angeboten

 

Allerdings gibt es nicht nur ärmliche Läden. Da und dort sieht man auch trendige Geschäfte für eine sozial bessergestellte Oberschicht

Die meisten Alltagsgegenstände, vom Besen bis zum Kochgeschirr, von der tragbaren Kaffeekoch-Feuerstelle bis zum Aufbewahrungskorb, werden in Handarbeit einzeln hergestellt und verkauft. Vorgefertigte Industrieprodukte, wie wir sie im Supermarkt kaufen, findet man hier kaum.

 

Naheliegend, dass im Land des Kaffees auch dieser auf dem Mercato gehandelt wird. Er wird in den nächsten Folgen noch unser Thema bleiben

Addis Abeba war ein Erlebnis – für Christian, ein besonders motivreiches. In unserem nächsten Livebericht geht es weiter auf den Spuren des «heiligen Waldkaffes» zum Tanasee, dem höchstgelegenen und mit rund 3000 Quadratkilometer Fläche grössten See Äthiopiens. Er liefert das feuchte Klima, welches der «heilige Waldkaffee» zum Gedeihen braucht.

Im nächsten Artikel führt die Reise Richtung Tanasee … stay tuned

Update (2023-02-26): Insgesamt gibt es zehn Folgen dieses Berichts und als elfte einem Nachtrag (Interview und technischen Infos).

 

Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen

 

Die Personen

Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt Ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch

Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpft das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch

 

 

2 Kommentare zu “Auf den Spuren des «heiligen Waldkaffees» in Äthiopien (1)”

  1. Welch eine fantastische Überraschung im Fotointern. Ich bin nicht gerade eine Reisenudel und lese selten bis gar nie irgendwelche Reisebericht, aber diese Mischung in diesem Artikel, hat mich eines besseren belehrt und ich freue mich auf die Fortsetzung

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