Urs Tillmanns, 16. März 2024, 14:13 Uhr

Buchtipp: Pia Zanetti – eine Zeitreise von 1961 bis 2017

Pia Zanetti gehört zu den grossartigsten Fotografinnen der Gegenwart. Sie kann stolz auf mehr als 60 Jahre fotografischen Schaffens zurückblicken, auf ein Lebenswerk, in dem es immer um Menschen geht. Mehr als 250 ihrer beeindruckendsten Bilder erzählen spannende Geschichten, die in diesem Buch dokumentiert sind.

«… es hat fast keinen Text drin, nur Bilder. Aber so dick!» Zwischen ihrem Daumen und Zeigefinger hätten drei Zentimeter Platz, als mir Pia Zanetti von ihrem jüngsten Buch erzählte. Es ist eine Zeitreise in Bildern durch mehr als sechs Jahrzehnte, von der Zeit nach ihrer Ausbildung bei ihrem Bruder Olivio Fontana, dann von den Reisen zusammen mit ihrem Mann, dem Journalisten Gerardo Zanetti, durch ganz Europa, Südafrika, Nordamerika und Südamerika, der gemeinsamen Zeit in Rom und London bis hin zu ihrer Arbeit als freie Journalistin, als sie sich in einer fotografierenden Männerdomäne behaupten musste.

Die Chronologie in diesem Buch zeigt uns ihre persönlichen Erlebnisse ebenso wie Fotos aus ihren Auftragsreportagen, die Geschichten erzählen und uns in Länder entführen, die man kaum aus freien Stücken besuchen würde. Und an Orte, die den meisten verborgen bleiben, wo Frauen, dazu noch mit einer Kamera, nicht unbedingt gerne gesehen werden. Oder war dies vielleicht gerade ihr Bonus? Weil man die unscheinbare, empathische Dame oft unterschätzt und sie nicht unbedingt zur Gilde der newsgeilen Reporter gezählt hatte?

Nicht nur ihre Bilder erzählen Geschichten, auch sie selbst schwelgt oft in Erinnerungen, wenn man der achtzigjährigen Pia an einer Vernissage oder an einem Vortrag zuhört, wie sie zu jedem Bild mit sprühender Fantasie die passende Story erzählen kann. «Es hat fast keinen Text drin» hatte sie gesagt. Doch die Texte, die als Legenden neben den Bildern stehen, sind wichtige Hinweise, um die Fotos den historischen Begebenheiten zuordnen und den Bezug zum Geschehen herstellen zu können. So, als ob uns die Pia die Geschichte selbst erzählen würde …

Die Bilder haben meist sozialkritische Inhalte, zeigen oft unscheinbare und spontane Szenen, die sich in irgend einer unwichtigen Strasse abspielen, ohne dass daraus eine Schlagzeile würde. Sie zeigen Menschen bei ihrer Arbeit, bei ihren Auseinandersetzungen, in ihren Milieus oder Kinder beim fröhlichen Spielen. Pia fotografiert Menschen, denen Sie irgendwo begegnet, oder Sie porträtiert Berühmtheiten im Auftrag einer Agentur oder einer bekannten Illustrierten, wie beispielsweise Viviane Westwood, Ennio Morricone, Art Blakey, Bette Davis, Jim Clark, Johannes Gachnang oder Max Frisch.

Bei allem sozialkritischen Inhalt der Bilder zeigt Pia Zanetti vor allem die positiven Seiten des Lebens, viele zufriedene und glückliche Menschen, dazwischen Schnappschüsse der Zufallskomik aber auch traurige Augenblicke, Bilder die bewegen, die Fragen stellen und die Interpretation der Betrachterin und dem Betrachter überlassen. Das Erfolgsrezept von Pia: Spontan sein, geistesgegenwärtig reagieren und so den Augenblick zu einem beeindruckenden Bild werden lassen.

Für wen ist dieses Buch? Für alle, die sich für die Arbeit und das Lebenswerk einer grossartigen zeitgenössischen Fotografin interessieren, die ihren Stil nachvollziehen und mehr über ihren fotografischen Schatz wissen möchten. Für Betrachterinnen und Betrachter, die sich für die Dokumente jener Zeitepochen interessieren, oder die sich für gekonnte Street-Photography begeistern können, zu einer Zeit, als man diese noch nicht als solche bezeichnete. Pia Zanetti hat fotografische Ikonen geschaffen – und dieses Buch ist voll davon.

Urs Tillmanns

 

Buchbeschreibung des Verlages

Aus ihrem Leben als engagierte Fotografin zeigen und erzählen die Bilder von Pia Zanetti im vorliegenden Buch eine Biografie in unzähligen Reisen. Hartnäckig behauptete sie sich in einer Domäne, die lange Zeit Männern vorbehalten war. Im Auftrag von Publikationen wie Die Woche, Das Magazin, DU oder NZZ Wochenende sowie international Europeo, Espresso, Paris Match und anderen bereiste sie ab den 1960er Jahren zunächst Europa, später dann alle Kontinente. Dabei galt ihr Interesse immer den Menschen, die sie auf der Strasse, bei der Arbeit, im Fussballstadion, beim Spielen oder beim Sinnieren beobachtete. Unaufdringlich, einfühlsam, kritisch und präzis hielt sie die kleinen und grossen Dramen fest, die sich im Alltag abspielen. Pia Zanetti dokumentiert immer wieder die Solidarität und den Widerstand von Menschen. Sie sucht aber auch unermüdlich jene glücklichen Momente, in denen Träume wahr zu werden scheinen.

 

Der Inhalt

Basel / Basel-Land / Schweiz / Avignon / New York City / Rom / Siena / Rom / Italien / Fiesole / Albanova / Italien / Zürich / Capistrello / Rom /

Zürich / Zuchwil / Krakau / Warschau / Belfast / St. Moritz / Nairobi / Brands Hatch / Aintree / Madrid / Athen / London / Blegny / Belgien / Brüssel / Mexiko-Stadt /

Rom / Detroit / Chicago / Reno / Los Angeles / New York City / Johannesburg / Soweto / Südafrika / Transket / Roodeport / Rüschlikon / Poschiavo /

London / Manchester / Perugia / Pisa / Bagnoregio / Rom / Pozzuoli / Arzo / Valle di Muggio / Caslano / Varese / Genua / Mailand /

Bentivoglio / Neapel / Nicaragua / Lima / Poschiavo / Val Onsernone / Cernobbio / Karlsbad / London / Andalusien / Provence / Sardinien /

Karpathos / Zürich / Schüpfheim / Bodio / Beiruth / Zürich / Stresa / Armeno / Venedig / Winterthur / Zürich / Tiruppur / Havanna /

Ho-Chi-Minh-Stadt / Bukarest / Rumänien / Tegucigalpa / Ho-Chi-Minh-Stadt / Mutnak / Burkina Faso / Nicaragua / Bangladesh / Sudan /

Tschad / Schweiz / Brasilien / Haiti / Bangladesh / Sudan / Tadschikistan / Bangladesh / Indien / Ruanda / Bukarest / Zürich

 

Die Fotografin

Pia Zanetti absolvierte die Ausbildung zur Fotografin an der Kunstgewerbeschule Basel und bei Olivio Fontana (1960–1963). Anschliessend arbeitete sie als freischaffende Fotoreporterin und lebte mehrere Jahre in Rom und London, bevor sie 1971 in die Schweiz zurückkehrte. Ihre Arbeiten erscheinen in diversen Zeitungen und Zeitschriften, darunter die «Neue Zürcher Zeitung», «Paris-Match» und der «Tages-Anzeiger». Sie verwirklichte zudem Aufträge im PR-Bereich und unterrichtete 1988 Pressefotografie an der Agencia Nueva Nicaragua in Managua. (Quelle: foto-ch.ch)

 

Auszeichnung

Das Buch wurde im Rahmen des Wettbewerbs «Die schönsten Schweizer Bücher 2023» vom Bundesamt für Kultur auf Empfehlung der Eidgenössischen Jury prämiert.

Buchpräsentation in Basel

Am kommenden Dienstag, 19. März 2024 um 18:30 Uhr präsentiert Pia Zanetti im BelleVue, Ort für Fotografie in Basel, ihr neuestes Buch. Die Fotografin wird selbst anwesend sein, viele Episoden zu ihren Bildern erzählen und Bücher signieren. Infos >

BelleVue – Ort für Fotografie, Breisacherstrasse 50, CH 4057 Basel

 

Bibliografie

Pia Zanetti

352 Seiten, 203 Schwarzweiss- und 72 Farbfotos, Fadenheftung, Softcover, Format 23×33 cm
Legendentexte von Pia Zanetti
Edizioni Periferia, Luzern/Poschiavo
Preis: CHF 70.00 / EUR 70,00
ISBN 978-3-907205-39-6

Das Buch kann im Buchhandel erworben oder direkt beim Verlag bestellt werden.

 

Lesen Sie auch

«Gespräch mit Pia Zanetti im BelleVue Basel», Fotointern 3. Mai 2023

«Buchtipp: ‚Pia Zanetti. Fotografin‘», Fotointern 20. Februar 2021

 

3 Kommentare zu “Buchtipp: Pia Zanetti – eine Zeitreise von 1961 bis 2017”

  1. Bücher sind was Gutes. Fotobände mit zahlreichen Fotografieen natürlich auch. Trotzdem ist das Buch bei mir durchgefallen. Bildbände mit zweiseitigen Bildern, über den Buchrücken weg, sind mir nicht sehenswert.

  2. Dieser Buchbericht macht Lust, sich dieses Buch anzuschaffen. Das wenige, was ich bis jetzt sah, macht Eindruck. Bilder ueber den Buchruecken sehe ich nicht als stoerend; wer die Botschaft des Bildes versteht und sich damit auseinandersetzt, blendet den Falz unmittelbar aus. Das ist unser fantastisches Hirn. Danke fuer den spannenden Bericht!

  3. @Christian Herbert Hildebrand, ja da muß ich mich bei Ihnen entschuldigen. Sie haben ganz recht, mit dem Gehirn. Ich muß nur den Buchrücken genau mittig über die beiden Hirnhälften legen, dann gehts. ‚Wer die Botschaft versteht …‘

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