Urs Tillmanns, 1. Mai 2013, 16:38 Uhr

Kodak ohne Filme

(Update) Kodak scheint seinem Ziel, aus der Insolvenz zu kommen, näher zu sein. Dies durch den Verkauf des verbleibenden analogen Fotobereiches an den wohl grössten Gläubiger, die britische Organisation der Kodak-Pensionäre. Ob und wie diese ihre neu erworbenen Rechte dereinst nutzen werden, ist noch ungewiss.

Der ehemals «Gelbe Riese», der 2012 in die Insolvenz gerutscht war, hat seine Absicht, sich vom Fotopapier- und Filmbereich zu trennen, jetzt wahr gemacht und sich vom letzten Resten seiner fotografischen Vergangenheit verabschiedet. In Zukunft will man mit den NexPress-Digitaldruckmaschinen überleben. Dieser Bereich geht zurück auf ein gescheitertes Joint Venture mit der Heidelberger Druckmaschinen AG, die sich 2004 aus der Zusammenarbeit mit Kodak und dem damals defizitären Bereich des Digitaldrucks zurückgezogen hatten.

Kodak Nexpress

Auf der letzten Drupa hat Kodak unmissverständllich die Marschrichtung angesagt: Die Zukunft sieht die einst grösste Fotofirma mit Nexpress in der grafischen Industrie

Nach den Digitalkameras, den Digitalpatenten, der Filmgelatine-Produktion, den Diafilmen, den Tintenstrahldruckern für private Endkunden, den Scannern und unzähligen anderen Bereichen, die stillgelegt oder verkauft wurden, hat Kodak jetzt seinen analogen Filmbereich abgestossen. Er überträgt das Filmgeschäft an den 2006 für neue Mitarbeiter geschlossenen Pensionsfonds seiner ehemaligen Mitarbeiter in den britischen Tochterfirmen. Der Fonds, der offensichtlich der grösste verbliebene Gläubiger Kodaks war, verzichtet im Gegenzug auf Forderungen von 2,1 Milliarden Euro. Alle Versuche den analogen Film-Bereich andersweitig zu veräussern, waren bislang fehlgeschlagen.

Käufer der Geschäftsbereiche «Personalized Imaging» und «Document Imaging», die auch die Kiosksysteme umfassen, an welchen der Kunde seine Digitalfotos ausdrucken kann, ist der U.K. Kodak Pension Plan (KPP), welche gegen 15’000 Mitglieder, davon rund 8’600 Pensionsbezüger vereinigt. Der kürzlich gemeldete Verkauf der Document-Imaging-Sparte an die japanische Brother Industries, die vor Jahren schon den Pentax-Scanner-Bereich von Hoya übernommen hatten, scheint damit obsolet zu sein. Zusätzlich zum Forderungsverzicht bezahlt KKP offensichtlich noch den Gegenwert von über 500 Millionen Euro an die Eastman Kodak. Als Konsequenz der Vereinbarung mit Kodak wird der aktuelle Fonds, der über ein Defizit von 1,9 Milliarden GBP verfügt, geschlossen und den Mitgliedern angeboten, einem neuen Fonds beizutreten. Wer dem Wechsel nicht zustimmt, soll in den Pensionssicherungs-Fond (Pension Protection Fund) fallen.

(Update) Welche Bereiche mit der Übertragung im Detail von Kodak abgegeben werden, und was aus den Produktionsstätten wird, in welchen die Produkte der jetzt übertragenen Bereiche gefertigt wurden, ist bislang nicht bekannt gegeben worden.

Mit der Vereinbarung wird offensichtlich ein Rechtsstreit zwischen dem Pensionsfonds und Kodak beendet. Kodak hatte aufgrund des rapiden Personalabbaus in den vergangenen Jahren das gravierende Problem, dass immer weniger Beschäftigte für die Pensionen der früher viel zahlreicheren Beschäftigtenschar aufkommen musste. Offensichtlich konnte man die gegenüber dem britischen Fonds bestehenden Pensionsverpflichtungen mit dem Schutz durch Chapter 11 nicht abschütteln. Damit scheint jetzt die Möglichkeit zu bestehen, dass Kodak in den USA den Schutz durch Chapter 11 verlassen kann.

KPP betont, dass die Lösung für seine Mitglieder sowie für die verbliebenen Kodak-Angestellten, die Gläubiger und die von der Insolvenz betroffenen britischen Unternehmen positiv zu bewerten sei. Kodak und seine Tochterunternehmen haben sich offensichtlich mit dem jetzt beschlossenen Schritt von allen Verpflichtungen gegenüber KPP und dem Pension Protection Fund befreit. Die Vereinbarung gilt derzeit noch unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch das zuständige amerikanische Konkursgericht in New York.

Nach dem jetzt verkündeten Schritt sieht sich die Eastman Kodak Corporation von allen Altlasten befreit und will sich auf den schon lange angekündigten Wandel zum Digitaldruckerhersteller konzentrieren und beabsichtigt im 3. Quartal den Chapter-11-Status zu verlassen.

Kodak sieht sich als führenden Anbieter in speziellen Druck-Bereichen wie dem Verpackungsdruck. Zu den bei Kodak verbleibenden Bereichen zählt offensichtlich auch der Bereich «Graphics, Entertainment and Commercial Films» (GECF), der beispielsweise Hollywood mit Cine-Filmen beliefert. Aus diesem Bereich kommen daneben auch Luftbildfilme und die Kodak-Sonora-Druckplatten für den digitalen Offsetdruck sowie Druckertinten. Der Bereich «Digital Printing and Enterprise» (DP&E) umfasst Tintenstrahldruckverfahren für den Verpackungsdruck und andere Spezialitäten von Kleinstserien bis zum Hochgeschwindigkeitsdruck. Dazu kommen Systeme für den Druck von berührungsempfindlichen Schichten. Kodak will damit möglicherweise die Technik auf die Produktionsbereiche der Brennstoffzellen, Transistoren und Displays ausweiten.

 Christoph Jehle

 

 

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