Christoph Jehle, 16. August 2020, 15:14 Uhr

Was vom gelben Riesen geblieben ist

Das Unternehmen Eastman Kodak ging zum Ende des 19. Jahrhunderts aus der von George Eastman und Henry Strong 1880 gegründeten Eastman Dry Plate Company hervor und entwickelte sich zum grössten Produzenten von analogen Filmmaterialien. Dazu zählten nicht nur Filme für die Fotografie, sondern auch Röntgenfilme für die Medizin und Filme für die Produktion in Hollywood, was heute übrigens wieder das massgebliche Standbein für die analoge Filmproduktion im verbliebenen Werk in Rochester ist. Für eine einzige Hollywood-Produktion verkauft Kodak mehr Filmmaterial als für alle analogen Fotofilme pro Jahr.

Die Vermarktung der Fotofilme und den Bereich Fotopapier hatte man im Zusammenhang mit dem Weg aus der Insolvenz 2013 in die neugegründete Kodak Alaris ausgelagert, die dem Kodak «Pension Plan of the United Kingdom» gehörte und mit der Transaktion auf Forderungen gegen Eastman Kodak verzichtete. Die Produktion von Fotopapieren wurde dann jedoch eingestellt.

Kodak Alaris arbeitete kaum profitabel und sorgte für ein Milliardendefizit beim britischen Pension Plan. 2019 wollte sich dieser von dem Fotobereich trennen, was jedoch offensichtlich im Sande verlaufen ist, so dass letztlich nur die Alternative einer Übertragung an den UK Pension Protection Fund abzeichnete, der Pensionsansprüche bedient, die von den Pensionsfonds der ehemaligen Arbeitgeber nicht mehr bedient werden können. Für Eastman Kodak war die Alaris-Lösung wohl die letzte Option, um aus der Insolvenz herauszukommen, nachdem man das Tafelsilber einschliesslich der Patente zuvor schon verkauft hatte. Selbst bei den Immobilien in Rochester musste man in der Vergangenheit schon auf Eigentumsrechte verzichten. Kodak hatte bei der Auflösung des Digitaldruck-Joint Ventures mit Heidelberger Druckmaschinen wohl mit Immobilien bezahlt.

 

Die Kodak-Milestones sind Geschichte

Die heutige Marke Kodak hat mit ihrer Geschichte nur nach wenig zu tun und fällt immer wieder durch Aktivitäten auf, mit welchen offensichtlich in erster Linie der Börsenwert des Unternehmens optimiert werden soll. Das operative Geschäft trägt dazu da inzwischen nicht mehr soviel bei. Um die Steuerlast zu senken hat man beispielsweise die verbliebenen Immobilien, die weder benötigt, noch verpachtet werden konnten, zurückgebaut, was üblicherweise als Abriss bezeichnet wird.

Nachdem man die frühzeitige Entwicklung der Digitalfotografie, aus Angst, den analogen Bereich zu gefährden, nicht in ein tragfähiges Geschäftsmodell umsetzen konnte, hat man die Sparte Image Sensor Solutions, die auch Leica Camera und andere Kamerahersteller belieferte, im Jahr 2011 für an die Investmentfirma Platinum Equity abgegeben. Das Amateur-Kamerageschäft, das auf der japanischen Kamerafirma Chinon aufbaute, war schon früher an die damalige Flextronics Global Services in Singapur verkauft worden, die es dann mehrheitlich an Asia Optical in Taiwan weiterreichte.

In der Folge wurde dann jedoch nur noch eine zeitlich befristete Namenslizenz an Hersteller oder Handelsunternehmen vergeben. So gibt es heute Kodak-Stative, Kodak Babyphones und Kodak Smart Home sowie Digitalkameras, die unter der Marke Kodak Pixpro angeboten werden. Lizenznehmer wurde hier Zum Beginn des Jahres 2013 die Firma JK Imaging Ltd., eine Tochter der JA Capital Holdings.

Zu diesem Zeitpunkt war der Namensgeber Eastman Kodak noch in Insolvenz. Der Linzenznehmer war auch verbunden mit der Firma GE Imaging, die Digitalkameras unter der Marke GE (General Electric) auf den Markt brachten. Hinter beiden Aktivitäten stand der oben erwähnte Hersteller Asia Optical aus Taiwan.

Unter dem Namen Kodachrome kam zwischenzeitlich eine Zeitschrift auf den Markt, die jedoch nur wenige Ausgaben erreichte. Zu den neuesten lizenzierten Bereichen zählt der Bekleidungssektor. Hier wird die Marke Kodak von Highlight Brands einem Bereich von Modern Works angeboten.

Auf der letzten photokina wurden auch Sofortbildkameras gezeigt, die das US-amerikanische Zink-System nutzten. Zink ist ein Sofortbildsystem, das von ehemaligen Polaroid-Mitarbeitern in den USA entwickelt wurde. Zeitweise wurden die entsprechenden Kameras und Drucker unter der Marke Polaroid vertrieben. Seit die Marke Polaroid von den Investoren übernommen wurde, die heute hinter dem Impossible Project stehen, werden die Polaroid-Namenslizenzen nicht mehr verlängert. Es gab in Spitzenzeiten bis zu 80 Polaroid-Namenslizenznehmer. 

Die Zink-Technik kommt derzeit auch in Canon Zoemini- und HP Sprocket-Druckern sowie Druckern von Huawei, Tomy, Brother und Dell zum Einsatz. Die Rechte der Zink-Technik liegen bei der Zink Holdings LLC. An der gleichen Adresse in Edison, NJ firmiert auch die C&A Marketing, Inc, die in Europa als C&A Marketing UK Limited in London firmiert. Zur unter dem gleichen Dach operierenden C+A Global zählt auch die 1918 von Benjamin Ritz gegründete Ritz Camera. In der Schweiz werden die Zink-Kameras und -Filme der Marken Kodak und Polaroid von der GMC Trading AG importiert. Inzwischen besteht eine weitere Kodak-Namenslizenz für Sofortbildkameras und damit zusammenhängende Produkte. Der koreanische Hersteller Prinics produziert ebenfalls Sofortbildkameras und Drucker unter der Marke Kodak (Fotointern berichtete), die mit den Zink-Produkten nicht kompatibel sind. Diese werden in der Schweiz durch die Perrot-Image SA vertrieben.

 

Die Kodak-Werke

Der Eastman Kodak Konzern besass früher neben der Film- und Fotopapierfertigung in Rochester auch zahlreiche Werke und Zulieferer im In- und Ausland, die ursprünglich meist auf übernommene Vorläuferfirmen zurück gingen, später dann auch komplette Neugründungen waren.

Das älteste Kodak-Werk ausserhalb Amerikas wurde 1891 in Harrow ausserhalb Londons errichtet, das den Bedarf für Europa produzierte. 1971 wurde die Produktion nach Hemel Hempstead ausgelagert, das auch unter dem Namen «Kodaktown» bekannt war, weil Kodak offensichtlich der grösste Immobilienbesitzer am Ort war. Inzwischen wurden die verbliebenen ehemalige Kodak-Gebäude in Wohnanlagen umgewandelt. Das Werk in Harrow überlebte unter der Regie von Kodak Alaris bis 2016, als die Produktion stillgelegt wurde und die Fertigung ins Röntgenfilmwerk von Clearstream in den USA verlagert wurde.

Das Kodak-Werk in Harrow nordwestlich von London wurde 1891 als erstes Kodak-Werk ausserhalb Amerikas gegründet. (Archiv Urs Tillmanns)

In Frankreich übernahm Kodak 1927 die 1896 in Chevry-Cossigny im Elsass gegründete Firma Pathé-Frères, aus der das Filmimperium Kodak-Pathé wurde. 1962 eröffnet Kodak das Werk in Chalon-sur-Saône, wo vor allem Filme und Einwegkameras für den kontinentaleuropäischen Markt produziert wurden.

Zu den von Kodak in Europa übernommen Werken zählte die vom Kunstseideproduzenten Vereinigte Glanzstoff-Fabriken AG aus Elberfeld 1923 in Berlin gegründete Glanzfilm AG Köpenick, die fortan unter dem Namen Kodak AG, Werk Berlin-Köpenick, arbeitete. Sie wurde nach der deutschen Wiedervereinigung wieder an Kodak rückübertragen, und bald danach, bis auf die Produktion der X-ray-Retina-Filme, geschlossen. Die 1927 in Berlin gegründete Kodak AG gewann 1932 durch die Übernahme des Kamerawerks von Dr. August Nagel in Stuttgart an Bedeutung, wo nach 1934 die Retina-Kleinbildkameras zum Erfolgsschlager wurde. Nach dem Krieg verlegte Kodak den deutschen Hauptsitz nach Stuttgart-Wangen.

Dr. August Nagel erwarb 1928 ein altes Presswerk (links) und verkaufte seine Firma 1932 (rechts) an Kodak. (Archiv Urs Tillmanns)

Von grosser Bedeutung war auch das Kodak-Werk in Guadalajara/Mexico, das 1969 gegründet, 2010 an einen Investor verkauft und schliesslich wieder zurückgemietet wurde, bevor es 2012 aufgegeben und die Filmproduktion wieder nach Rochester verlagert wurde. Auch in den USA wurden Bereiche, wie die Tochter Eastman Gelatine in Peabody, MA, abgestossen und 2012 an Rousselot, einen Bereich des niederländischen Fleisch-Konzern Vion verkauft. Das 1817 unter dem Namen Upton Glue Factory gegründete Unternehmen hatte Kodak 1930 erworben, um sich die Belieferung mit Filmträgern zu sichern.

Der Bereich Röntgenfilme wurde ebenfalls verkauft und firmiert inzwischen unter dem Namen Carestream Dental und produziert nur noch die analogen Filmmaterialien unter dem Namen Kodak Dental. In Brasilien überlebte bislang noch eine Konfektionierung von Papieren für das Kiosksystem von Kodak Alaris. Die Produktion der Kodak-Filmchemie war bis zur Tetenal-Insolvenz zumindest teilweise nach Norderstedt bei Hamburg verlagert worden.

 

Kodak als Börsenhype

An der Börse zumeist wenig auffällig, glänzt das Unternehmen von Zeit zu Zeit mit enormen Kursauschlägen, die auf Pressemeldungen zurückgeführt werden können und meist nach kurzer Zeit wieder einbrachen. Dazu zählte in der Vergangenheit die Meldung, dass man einen Rechner zum Schürfen von Bitcoins vermarkte und dass man mit einer auf der Blockchain-Technik basierenden Suchmaschine für illegal kopierte Aufnahmen am Markt auftreten wollte. Beide Aktivitäten kamen über den Status der Ankündigung jedoch nicht heraus.

Der aktuelle Kursauschlag kam, als bekannt wurde, dass Eastman Kodak im Zusammenhang mit dem Defense Production Act der USA einen staatlichen Kredit in Höhe von 765 Millionen Dollar. erhalten solle, um Grundstoffe für Medikamente zur Behandlung von Covid-19-Patienten zu produzieren. Dazu soll die Kodak Pharmaceuticals gegründet werden. Der Kodak-Kurs explodierte unmittelbar darauf von 2,65 auf 8,01 Dollar und erreichte kurzfristig sogar 60 Dollar. Doch nur wenige Tage später, scheint das Märchen sich schon wieder aufzulösen. Als kurz nach der Meldung jedem klar werden konnte, dass es sich nur um eine Absichtserklärung handelte und Kodak für den Kredit zahlreiche Konditionen hätte erfüllen müssen, ging die Aktie jedoch wieder auf Talfahrt. Inzwischen ist der geplante Kredit auf Eis gelegt, da man erst untersuchen will, ob es im Zusammenhang mit der Absichtserklärung zu einem Fehlverhalten einzelner Beteiligter gekommen ist.

Christoph Jehle
Illustrationen: Kodak-Anzeigen im Wandel der Zeit – aus einer Privatsammlung

UPDATE 17.08.2020, 11:45: Ergänzung zu Zink-Technologie und -Produkte

UPDATE 2 18.08.2020, 21:27: Ergänzung «Die Kodak-Werke»

 

Lesen Sie auch:

«Kodak ohne Filme?» (01.05.2013)

«Apple und Google bieten gemeinsam für Kodak-Patente» (10.12.2012)

«Kodak will sich aus dem Druckergeschäft zurückziehern» (01.10.2012)

«Kodak verkauft weitere Produktebereich, darunter Fotopapier und Filme» (24.08.2012)

«Kodak braucht mehr Zeit» (16.04.2012)

«Kodak will sich aus dem Geschäft mit Digitalkameras zurückziehen» (10.02.2012)

 

 

5 Kommentare zu “Was vom gelben Riesen geblieben ist”

  1. interessanter artikel einer offenbar bewerteten firmengeschichte. ich dachte impossible project sei längst geschichte. auf wie stabilen beinen steht denn die filmproduktion? ich hoffe noch lange ektars, portras, etc. kaufen zu können.

  2. Ausgezeichneter Artikel: Mit dem Namen Kodak sind sehr viele Erinnerungen verbunden. Der Grossvater mit der Box, später 8mm Filmkamera, der Vater mit der Zweiäugigen. Dann die eigene Dunkelkammer:Papiere von Kodak, Glanzpresse, Ektachrome mit Studio 13, Kodachrome einsenden nach Lausanne usw. In den 60 Jahren unvorstellbar dass es Kodak einmal nicht mehr geben könnte.

  3. Sehr interessante Zusammenstellung.
    Kodak verschenke auf Atlantik-Schiffen einfache Kameras und machte damit die 120er-Filme zum Standard unter den vielen Formaten.
    Kadok bot auch die erste elektronische Kamera an, die jedoch gross und sauteuer war. Sony baute später für die Zeitung „Asahi Shibum“ in Japan die erste bezahlbare S/W-Kamera, deren Bilder mit Akustik-Koppler über Telefon-Leitungen in die Redaktion geschickt wurde. Danach die Mavica mi 1 Megapixel in Farbe, deren 8 Bilder auf einer 3,5 Zoll-Diskette gespeichert wurde. Mit 14 Bit Bildtiefe schuf man einen Quasi-Standard zur Nachbearbeitung, der heute noch gilt.

  4. Die Zink-Sofortbild-Technologie wurde vor längerer Zeit an der photokina (Jahr ?) als Cycolor vorgestellt. Das Pressebild ist -obwohl immer geschützt-nach kürzester Zeit verblichen. Es gab normalen Printer und Express-version für Fotolabors etc. Digital-aufnahmen konnte man am Stand printen lassen.

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