Gastautor/-in, 9. Februar 2023, 16:00 Uhr

Auf den Spuren des «heiligen Waldkaffees» in Äthiopien (6)

Langsam neigt sich die Reise von Patrik und Christian dem Ende zu. Sie haben viel von Äthiopien gesehen, nicht nur, was den Kaffee anbelangt, und sind nun zum Schluss der Reise endlich in der Gegend des riesigen Tana-See angelangt – der Ort, von wo der legendäre Zege-Kaffee herkommt.

Endlich sind wir in diesem weiten Land im Norden von Äthiopien angekommen. In der Provinzhauptstadt Bahir Dar, an den Ufern des Lake Tana, beziehen wir unsere Unterkunft. Von hier erkunden wir in den nächsten beiden Tagen die Zege-Halbinsel und danach auch die Inseln auf dem See.

Heute Morgen trifft Patrik nach vier Jahren endlich wieder auf Menelik, dem Vertreter der «Amhara Farmers Coffee Producers Cooperative». Nach dem freudigen Wiedersehen fahren wir gemeinsam mit dem Boot zur Zege-Halbinsel, wo in einem der Klöster an der Wand ein Jahrhunderte altes Wandbildnis der Geschichte des Zege-Waldkaffees zu finden sei. Ankommen auf der Halbinsel laufen wir durch den intakten Wald einen leichten Hügel hoch zum Kloster und treffen auf Klostermauern.

Die Mauern des Klostereingangs sind fast zwei Meter dick …

Als Christian durch das Tor trat, fiel ihm sofort die ungewöhnliche Bauart der Mauer auf. Man erklärt ihm, dass die Mauer grundsätzlich aus Steinen besteht und als Zement, sowie für den Abrieb, eine ganz spezielle Masse verwendet wird, die in der Regenzeit aus Schlamm und feinen Gräsern gemischt wird. Während rund einem Jahr muss die Masse immer gerührt und vor allem feucht gehalten werden. Dabei fermentiert sie und kann danach als Zementmasse verwendet werden. Sobald die Masse trocken ist, wird sie steinhart und ist nicht mehr wasserlöslich.

 

… und bestehen aus einem eigenartigen, natürlichen Zement

Im Innenhof fallen uns uralte «Kirchenglocken» auf, die nur aus zwei grossen Steinen bestehen. Mit einem dritten, kleineren Stein werden sie angeschlagen und geben dabei einen weitherum hörbaren, wohlklingenden lauten Ton von sich.

Zwei grosse Steine dienen als «Kirchenglocken», die mit einem dritten, kleineren Stein angeschlagen werden

Am eindrücklichsten ist für einen Besucher jedoch die Eingangstür zur Rundkirche. Man sagt uns, dass die aus einem Stück Eiche gefertigte Tür die grösste ihrer Art in ganz Afrika sei. Christian hat sie mit seinem Schweizer Taschenmesser vermessen und festgestellt, dass sie 135 cm breit ist. Die Höhe konnte er nur schätzen, es dürften aber zwischen fünf und sechs Meter sein.

 

Die grösste aus einem Stück Eichenholz gefertigte Türe Afrikas. Allerdings ist Menelik nicht so klein, wie er hier scheint.

Im Innern der Kirche stossen wir auf eine Rundlaube. An der Innenwand sieht man riesige religiöse Wandbilder, welche meistens biblische Ausschnitte zeigen. Unterhalb der Bildnisse liegen auch sakrale Gegenstände. Im Halbdunkel sehen wir Trommeln und auch uralte Rasseln, die in Zeremonien der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche eine wichtige Bedeutung haben.

Im runden Gang herrscht eine mystische, unglaublich schöne sakrale Stimmung

 

Eines der Wandbilder zeigt offenbar die Überlieferung der Geschichte vom Heiligen «Betre Maryam», den wir in der ersten Folge schon erwähnt hatten, welcher einst seinen Priesterstab in drei Teile teilte. Aus dem Kopf des Stabes sollen die ersten Kaffeepflanzen entsprungen sein.

 

Das Gemälde des Heligen«Betre Maryam», aus dessen Priesterstab, der Legende nach, die ersten Kaffeepflanzen entsprungen waren

Zeitlich die Geschichte richtig einzuordnen ist schwierig, denn es finden sich sowohl biblische Szenen als auch Bilder von muslimischen Soldaten. Man erkennt sie daran, dass sie jeweils nur mit einem Auge abgebildet wurden, wohingegen die Bilder von Christen immer zwei Augen zeigen.

Ein toter islamischer Krieger liegt am Boden. Dieser Ausschnitt zeigt auch den dahinterliegenden Maueraufbau mit dem «Graszement». Das Gemälde wurde auf einem darüber liegenden Stoff aufgetragen.

Wie die Ersteller der Bilder vorgingen, lässt sich an den Skizzen auf einer Holzwand erahnen:

Diese Kohlezeichnungen waren Probeskizzen, bevor die Künstler die Bilder mit Farbe umsetzten. Die Farben wurden ausschliesslich aus lokalen Pflanzen hergestellt

All diese spannenden Informationen erhielten wir von einem der Mönche, welcher sich auch mit Freude porträtieren liess.

Ein freundlicher, koptischer Mönch, der uns mit Stolz seine Kirche zeigte

Ob all dieser interessanten kulturellen Objekte, haben wir noch gar nicht vom Kaffee gesprochen. Der meiste Zege-Kaffee wird von Familien in den umliegenden Gärten angebaut und an der Sonne getrocknet. Ein grosser Teil davon wird zum Eigengebrauch genutzt. Die allerbesten Kirschen werden an die Kooperative verkauft – dies sind dann genau die Kirschen, welche Patrik seit Jahren sucht. Aber dazu kommen wir noch …

Die frisch geernteten Kaffeekirschen werden in der Sonne getrocknet

 

Lesen Sie auch:
in der 1. Folge, wie es zu dem Projekt kam und was die beiden in Addis Abeba erlebten
in der 2. Folge, wie die Qualität der Kaffeebohnen aussortiert wird
in der 3. Folge, die Erlebnisse von Christian und Patrik auf ihrem Abstecher nach Harar 
in der 4. Folge erfuhren wir, wie der frische Kaffee gekostet wird – sogenanntes «Cupping»
in der 5. Folge erlebten Patrik und Christian wie der frisch gepflückte Kaffee verarbeitet wird

In der nächsten Folge besuchen Patrik und Christian den Tana-See und die Insel, auf welcher der Zege-Kaffee wächst.

Fotos: Christian H. Hildebrand
Text: Patrik Hosennen

Die Personen

Christian Herbert Hildebrand lebt und arbeitet als Berufsfotograf zusammen mit der Porträtistin Zaboo in Allenwinden bei Zug. Der Schwerpunkt ihrer Firma fotozug.ch liegt in den Bereichen Event, Porträt, Firmenporträt, Image, CI und Architektur aus. Auch A-La-Carte Events mit gemischten Aktionen und Performances Foto/Malerei und Teilnehmer-Animation gestalten sie für ihre Kundschaft. Christian H. Hildebrand ist ausserdem für die lokale und internationale Presse tätig, wurde für seine Arbeiten mehrfach ausgezeichnet und ist Mitglied der Colour Art Photo International. Mehr Infos auf www.fotozug.ch

Patrik Hosennen ist Firmengründer und Inhaber der gleichnamigen Kaffeerösterei in Gersau, Mitglied der SCA (Specialty Coffee Association) und seit 2016 zertifizierter Q Grader. In seiner Spezialitätenrösterei hat er seit Beginn mit der Cropster Röstsoftware auf modernste Rösttechnologie gesetzt und verknüpfen das traditionelle Kunsthandwerk der Trommelröstung mit innovativer Online-Röstsoftware. Sein Sortiment besteht aus verschiedenen Kaffeespezialitäten, darunter zwei Mischungen mit Bohnen aus Äthiopien. Mehr Infos auf www.hosennen-kaffee.ch

 

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